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Foto: © Dirk Ostermeier
Foto: © Dirk Ostermeier

Lena Iyigün im Interview

Quo vadis, Gastro?

Lena Iyigün ist seit Anfang des Jahres Vorstandsvorsitzende der Initiative Gastronomie Frankfurt. Ein Interview über die Mehrwertsteuer, Fachkräftemangel und Vertrauen in die Frankfurter Szene.
JOURNAL FRANKFURT: Frau Iyigün, aus der Gastrobranche hört man derzeit viel klagen. Sind die fetten Jahre vorbei?
LENA IYIGÜN: Ich glaube, Sie wollen fragen: Ist die Gastronomie eine Branche, mit der man „reich“ wird? Als Betriebswirtin sehe ich das mit einem großen Fragezeichen. Sicher ist aber, dass die Gastronomie eine Branche ist, die uns allen unfassbar viel gibt, sowohl den Gästen als auch den Mitarbeitenden und Verantwortlichen. Die meisten Gastronominnen und Gastronomen, die ich kenne, sind leidenschaftlich am Werk. Sie vermitteln Lebensfreude und Genusskultur, und bringen Menschen zusammen. Gleichzeitig sehen wir in den letzten Wochen bei vielen Menschen viel Unmut über veränderte Einkommenssituationen. Inflation und gestiegene Energiepreise belasten uns alle. Natürlich bleibt da weniger Geld, um essen zu gehen oder sich nachmittags ein Stück Kuchen und Kaffee zu gönnen. Gleichzeitig gibt es in einer Stadt wie Frankfurt genug Menschen, die bereit sind, in gutes Essen oder einen schönen Abend mit Freunden zu investieren. Die Gäste kommen also weiter, und dennoch stehen wir in der Branche vor großen Herausforderungen.

Inwiefern? Welche sind die Faktoren, die gastronomische Betriebe ökonomisch unter Druck setzen?
Ganz klar an erster Stelle die Personalkosten. Laut Statistischem Bundesamt waren in der Branche vor acht Jahren im Durchschnitt 30 Prozent Personalkosten üblich. Aktuell sind wir bei fast 50 Prozent. An sich ist das gut so. Schließlich ist der Faktor Mensch das, was die Gastronomie ausmacht, in Service und Küche gleichermaßen. Diese Menschen müssen fair bezahlt werden. Der Punkt ist, dass die Löhne, also auch Kosten, deutlich stärker gestiegen sind als der Umsatz. Natürlich wurde auch das Preisniveau angehoben, aber nicht annähernd so wie die Personalkosten. Hinzu kommen noch der Wareneinsatz, Steuerabgaben wie Mehrwert-, Gewerbe-, Ertrags- oder auch Körperschaftssteuer, sowie Mieten und Nebenkosten.

Wiederanhebung der Mehrwertsteuer: Schwierige Situation für Gastro-Betriebe

Wie fällt hier die Rückanhebung der Mehrwertsteuer auf Speisen ins Gewicht?
Am Ende ist es ein Zusammenspiel aller Faktoren. Ich erwarte nicht von meinen Gästen, dass sie meine Bilanz im Detail verstehen. Doch es muss klar sein, dass in der Gastronomie keine brutal hohen Margen abfallen, mit denen wir solche Dinge wie die Mehrwertsteuererhöhung einfach so schlucken können. Im Gastgewerbe in Deutschland liegt der Gewinn vor Steuern durchschnittlich zwischen neun und zwölf Prozent. Wenn ich mit der Wiederanhebung der Mehrwertsteuer nun über zehn Prozent mehr Abgaben zahle, dann habe ich keinen Ertrag mehr. Wenn dann Kolleginnen und Kollegen in der Presse sagen, dass sie ihre Preise nicht erhören müssen, frag ich mich, wie sie das machen. Das geht nur, wenn man am Personal spart, die Öffnungszeiten reduziert oder die Qualität leidet.

Ende Dezember hat die IGF die Kampagne „Hey, danke!“ gelauncht. Was verbirgt sich dahinter?
Zum einen wollen wir unseren Gästen signalisieren, dass wir uns freuen, dass sie da sind. Zum anderen wollen wir denen, die wissen möchten, warum die Preise steigen, eine verständliche Erklärung geben. Also warum es teurer werden muss. Dafür haben wir eine grafisch aufbereitete Beispielkalkulation erstellt und auf Flyer gedruckt. Die Grafik soll zum Denken anregen, indem sie nachvollziehbar macht, dass von 15 Euro, die Gäste für ein Gericht bezahlen, am Ende nicht mehr als ungefähr 1,20 Euro Verdienst im Betrieb hängenbleibt.

Fachkräftemangel: Chance und Probleme

Abgesehen von Kostenfragen ist immer wieder vom Fachkräftemangel die Rede. Ist das Thema noch aktuell?
Absolut. Wir merken das an allen Enden – bei der Suche nach Auszubildenden wie auch Ausgebildeten oder bei der Suche nach Führungskräften. Weniger Mitarbeitende bedeuten weniger Umsatz, weil sie den Verkauf steuern. Eine weitere Folge sind kürzere Öffnungszeiten. Betriebe, die früher zwei Schichten am Tag gemacht haben, haben jetzt nur noch eine; andere haben nur noch vier Tage die Woche oder noch weniger geöffnet. Letztlich führt der Fachkräftemangel auch zum Wettbewerb um Mitarbeiter und damit zu weiter steigenden Löhnen.

Was würde denn konkret gegen Fachkräftemangel helfen?
Da gibt es nicht diese eine Maßnahme. Das ist vielmehr eine gesellschaftliche Verantwortung, sich als Arbeitgeberin um Auszubildende zu bemühen. Als Verband engagieren wir uns deshalb in den Berufsschulen, bieten Praktika und Weiterbildungsmaßnahmen an. Darüber hinaus ist es eine große Chance, menschlich und unternehmerisch, Geflüchteten die Möglichkeit zu geben, auch ohne Abschluss und Deutschkenntnisse einer Arbeit nachgehen zu können. Und natürlich profitieren wir von Arbeitnehmerinnen, die motiviert und dankbar sind für eine Chance.

Kann die Politik hier unterstützen?
Generell leistet unsere Branche einen wichtigen Beitrag zur Integration. Schließlich haben die meisten Betriebe in Frankfurt multikulturelle und multireligiöse Teams. Was wir nicht verstehen, ist, warum es arbeitswilligen Menschen und Geflüchteten so schwer gemacht wird, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen und ein entsprechendes Visum. Es ist des- halb das Wichtigste, dass die Prozesse in den Ämtern funktionieren. Da spreche ich vor allem die Frankfurter Ausländerbehörde an, mit der es seit Jahren Probleme gibt. Man muss sich vergegenwärtigen, dass ein Großteil der Mitarbeitenden in der Gastronomie in Frankfurt auf regelmäßige Visaverlängerungen angewiesen ist. Bei vielen mag das nur eine Formalie sein. Dennoch bekommen sie trotz fristgerechter Anträge keine fristgerechte Verlängerung ihres Visums.

Quo vadis? Herausforderungen und Möglichkeiten für die Frankfurter Gastroszene

Wie wird sich die gastronomische Landschaft in Frankfurt 2024 verändern?
Die Vielfalt in der Gastronomielandschaft leidet jetzt schon massiv. Wir haben zwischen Oktober und Dezember bereits eklatant viele Schließungen erleben müssen, darunter bekannte Lokale wie die Stalburg oder das Alma. Die Befürchtung ist, dass sich dieser Trend fortsetzen und es deutlich weniger individuelle und mehr Systemgastronomie in den Städten geben wird. Andererseits gibt es junge Menschen, die neue Betriebe aufmachen. Allerdings sehen wir nach wie vor, dass mehr Betriebe im ersten Jahr schließen, als es neue Betriebe über das erste Jahr hinaus schaffen. Zugleich gibt es viele kreative Ideen in der Branche, um neue Umsatzpotenziale zu erschließen, verrückte Konzepte, Spezial-Menüs oder Pop-up-Konzepte. Wir sind deshalb trotz allem zuversichtlich. Frankfurt hat eine vielfältige Gastrolandschaft und das wird auch zukünftig so bleiben.
 
21. Februar 2024, 10.40 Uhr
Sebastian Schellhaas
 
Sebastian Ruben Schellhaas
Jahrgang 1984, studierte Philosophie und Ethnologie an der Goethe Universität Frankfurt, seit 2020 beim JOURNAL FRANKFURT – Mehr von Sebastian Ruben Schellhaas >>
 
 
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