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Ein gefährliches Buch!

Siebecks Merkwürdigkeiten

Manchmal erreichen Bücher auf ungewöhnliche Art und Weise Bekanntheit. So ganz aktuell geschehen bei einer Neuveröffentlichung des Verlags Gebrüder Kornmayer namens „Das große Frankfurter Kochbuch“. Siebeck sei Dank!
Manchmal erreichen Bücher auf ungewöhnliche Art und Weise Bekanntheit. So ganz aktuell geschehen bei einer Neuveröffentlichung des Verlags Gebrüder Kornmayer namens „Das große Frankfurter Kochbuch“. Das „Frankfurter Kochbuch“ gab es schon mal in einer kleineren Version, aber die Frankfurter haben bereits seit Jahrhunderten kulinarisch mehr drauf, als in das flache Büchlein passte, also musste ein dickeres, eben das „Große“ her. Doch als kleiner Verlag können sich die Gebrüder Kornmayer keine Kampagne leisten – diesen Job nimmt ihnen jetzt einer der bekanntesten Kolumnisten der Republik ab.

Der große Wolfram Siebeck schenkt dem Buch in seinen Seitenhieben der Ausgabe Nummer 8 des „Feinschmecker“ volle Aufmerksamkeit, und dies auf eine Art und Weise, die dem Buch tatsächlich alle Ehre widerfahren lässt. Obwohl es sich um einen stattlichen Verriss handelt. Allerdings einen schlecht recherchierten und zudem von Panik gesteuerten, denn anders lässt sich die Schreibe der einstigen Legende einfach nicht beschreiben. Da ist etwa die Rede vom Reichsadler, der den schwarzen Einband „ziert“. Der auf dem Buch abgebildete stammt in der hier verwendeten Form allerdings aus dem Frankfurter Stadtwappen und sitzt – Achtung Herr Siebeck, Humoralarm! – auf einem Kochlöffel. Dass der Kolumnist in diesem Zusammenhang schreibt, der Umschlag inklusive Federvieh sähe aus, „als enthielte das Buch die gesammelten Kommentare des NS-Staatsrechtlers Carlo Schmitt“, ist nur dadurch erklärbar, dass Siebeck zu jener Generation gehört, die das grauenvolle Unrecht des NS-Staats noch selbst erlebt haben. Nur die Ruhe Herr Siebeck, ich kann Ihnen versichern: Nicht jedes schwarze Buch mit einem abgebildeten güldenen Adler, der auf einem Kochlöffel sitzt, ist gleich ein Machwerk der Nazis.

Es folgt ein Exkurs zur Machart des Buches, bis Siebeck behauptet, nun (endlich) genauer hinzusehen. Doch mit welcher Brille? Der seiner Katze? Von hauptsächlich frittierten und ausgebackenen Speisen – wie von ihm behauptet – finden sich im Buch jedenfalls nur sehr wenige, stattdessen gibt es viele durchaus gesunde und vor allem schmackhafte Rezepte, für welche die Frankfurter Küche ja bekannt ist. Annähernd drei könnte man der Gattung „wuchtige Puddings“ zuordnen, die Siebeck ganz besonders zu fürchten scheint.

Die Fotografien sind zwar nicht auf dem Niveau internationaler Food-Fotografen – der einzige echte Schwachpunkt des Buches – aber sie bilden konkret das ab, was gekocht werden soll. Und das sieht ganz anders aus, als der Kolumnist es uns glauben machen will. In der Folge befällt selbigen eine Gänsehaut, weil angeblich „die meisten“ Gerichte im Frankfurter Dialekt genannt werden. So etwa „Fusslappegemies mit Flöh“. Und nicht etwa „Fusslap pegemies mit Flöh“. Nun, das war wohl wieder die Brille. Es sind übrigens nicht einmal 20 Rezepte, deren Name hier in Dialekt geschrieben wird. Und da sind die Abkürzungen „Soß“ und „Supp’“ schon eingerechnet. Auf insgesamt über 500 Seiten. Die meisten also? Doch nicht nur Siebeck befällt die Gänsehaut, sondern er weiß gleich die komplette Feinschmeckerschaft des Landes hinter sich.

Das ist jedoch lange vorbei. Heute freuen sich auch die Leser des „Feinschmecker“ wieder über das, was Siebeck dereinst sogar als Zukunft der kulinarischen Entwicklung beschrieben hat: Die Hinwendung zu regionalen Produkten und Rezepten. Wenn das allzu konsequent realisiert wird, kriecht beim Kolumnisten allerdings die alte Angst wieder hoch, doch auch hier gibt es keinen Grund zur Sorge, denn das Buch ist voll von leichten, eleganten und vor allem Hochdeutsch anmoderierten Rezepten. Das hindert Siebeck nicht, seiner Panik jetzt endgültig freien Lauf zu lassen: Er fürchtet sich vor Knödeln, Sahnesaucen, die hier natürlich allesamt stumpfig sind, möchte angesichts einer angeblich mit Speisestärke gebundenen Sauce gleich den Notarzt rufen und hat generell einen Flashback, der den armen Mann gleich in die Vor-, Haupt- und Nachkriegsjahre zurückkatapultiert. Angesichts von gebratener Blutwurst, Apfelweinsuppe, Leiterchen oder überbackenem Kartoffelpüree, Teebrezeln oder Frankfurter Götterspeise. Klar, das ist keine Haute Cuisine, das ist auch nichts vom Mittelmeer – das ist halt Frankfurter Küche. Und davon ist auch auf dem Einband die Rede, der übrigens im gleichen Schwarz daherkommt wie seinerzeit der Larousse. Dessen Umschlag war auch schmutzabweisend, was sich hier ebenfalls als praktisch erweist.

Das Finale der definitiv fantasievollen „Rezension“ besteht schließlich aus griffigen, soziokulturell anmutenden Wortklaubereien – die Rede ist unter anderem von einer Koalition von Antiintellektualismus und Neo-Primitivität – und natürlich der immer gern genommenen Vision von der Rückkehr der D-Mark und der Annektion von Österreich. Merken Sie was? Korrekt: Der Mann hat ein Problem. Ausgelöst durch „Das große Frankfurter Kochbuch“. Übrigens ein eher bescheiden bebildertes, dafür aber inhaltlich umso interessanteres Machwerk. Und offenbar sehr, sehr gefährlich! Für nur 19,90 € im Buchhandel und natürlich im Shop der Genussakademie zu haben!
 
27. August 2012, 06.12 Uhr
Bastian Fiebig
 
 
Fotogalerie:
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