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Foto: © Villa Rothschild
Foto: © Villa Rothschild

Der Restauranttest der Woche

Villa Rothschild

Patrick Bittner ist zurück! In der Villa Rothschild verbindet der renommierte Sternekoch raffiniert Tradition und Moderne.
Den 29. Juli 2022 wird Patrick Bittner so schnell nicht vergessen. Nach 15 Jahren mit Michelin-Stern beschloss die Geschäftsleitung des Frankfurter Hofs, das Restaurant Français, das schon lange vor der ersten Ausgabe von FRANKFURT GEHT AUS! Ende der 1980er-Jahre zu den besten Adressen der Stadt zählte, für immer zu schließen.

Dabei war genau das Bittners Ding: französische Haute Cuisine, zelebriert im Nobelrestaurant eines Grand Hotels. Wer keinen Bock auf Schäumchen und Schwämmchen, halbgares Gemüse und essbare Wurzeln vom heimischen Bio-Acker hatte, der war hier richtig. Kaviar! Foie Gras! Austern! Jakobsmuscheln! Hummer! Trüffel! Und am Ende eine Käseauswahl vom Käsepapst Bernard Antony persönlich. Ein Bittner-Menü ohne mindestens vier bis fünf dieser Zutaten war nicht denkbar.

Nach der Schließung war Bittner über ein Jahr auf Weltreise, aber jetzt ist er wieder da, in einem anderen Nobelrestaurant eines anderen Grand Hotels. Also alles wieder gut? Alles wie immer? Nein, besser! Zwar müssen wir die Anreise nach Königstein in Kauf nehmen, aber dafür gibt’s reichlich kostenlose Parkplätze. Die Villa Rothschild ist kleiner und feiner als der Frankfurter Hof, das Gourmet-Restaurant aber vergleichbar und kann in seiner neuesten Reinkarnation auch endlich von Design und Einrichtung her gefallen.

Wirklich anders ist in erster Linie der Inhaber. Der kurz nach Eröffnung leider verstorbene Bernhard große Broermann hat sein Vermögen mit Kliniken gemacht. Insofern ist es ihm hoch anzurechnen, dass er in seinen Hotels und Restaurants nicht versucht hat, durch entsprechende Kost aus Gästen Patienten zu machen. Im Gegenteil. Er kämpfte für gesunde Ernährung. Deswegen bleibt es auch unter der neuen Küchenleitung beim sperrigen Namen „Restaurant Villa Rothschild Grill & Health“. Bittner hatte schon im Vorfeld angekündigt, im neuen Konzept fast völlig auf Kohlehydrate und Zucker verzichten zu wollen, was die Kollegin L. zu der Aussage verleitete: „Oh Gott, klingt das gesund. Wenn ich in so ein Restaurant gehe, will ich Spaß haben. Geh du mal da hin.“

Ein Fehler, liebe Kollegin, denn wir hatten Spaß. Mehr als im Français. Das liegt daran, dass Bittner genau weiß, was die Kundschaft will – gerne gesund, aber ohne Verzicht, und mit der einen oder anderen nicht konzeptkonformen Sünde zwischendrin kann mit dem neuen Konzept jeder nach seiner Fasson selig werden, denn die großen Menüs sind von der Karte verschwunden – ganz im Gegensatz zu Kaviar, Austern, Jakobsmuscheln und selbst Foie Gras. Aber diese Lebensmittel sind weder für ihren hohen Zucker- noch Kohlehydratgehalt bekannt. Ob Gründer Broermann das ebenso unwiderstehliche wie ungesunde Kartoffelpüree (ehrlicher wäre „Butterpüree mit Kartoffeln“) à la Robuchon noch verkostet hat, wissen wir nicht. Den Genießern unter Ihnen legen wir es aber ans Herz. Und keine Angst: Der Kohlehydrat-Bann ist auch an der Trendy-Brottüte mit aromatischem, dunklen und knusprigem hellen Brot vorbeigegangen, die mit gesalzener und ungesalzener Butter sowie cremigem Hummus ebenso zur kulinarischen Inszenierung gehört, wie die reichlichen Grüße aus der Küche.

Danach können Sie von der Karte bestellen, was und wieviel Sie wollen und entscheiden, ob es eher klassisch französisch oder modern und gesund sein soll. Spanische Schweine verirren sich eher selten in die französische Küche, aber bei Bittner kommt so ein Cut wie Presa, der Kern des Nackens eines spanischen Eichelmast-Schweines, mit scharfem Tomatenchutney und einem japanischen Minipfannkuchen auf den Tisch. Das edle Fleisch mariniert er mit fermentiertem japa- nischen Koji-Reis, was für enorme geschmackliche Tiefe sorgt. Das passt auch ins gesunde Konzept, denn Shio Koji ist nicht nur für seine aromatischen Fähigkeiten bei japanischen Gourmets beliebt, sondern gilt als probiotisches Würzmittel als sehr gesund. Was will man mehr. Dieser Teller steht für den Patrick Bittner 2.0, den wir hier zum ersten Mal erleben: Fest verwurzelt in der großen Tradition der französischen Hochküche und gleichzeitig sehr modern, gesundheitsbewusst und international inspiriert. Mit den erwähnten Austern (3 Sorten), feinstem Kaviar in Kombination mit leicht gerösteten piemonteser Haselnüssen und einer wunderbaren Elsässer Gänseleber mit Apfel-Quittenkompott und Rosmarinbrioche findet sich genug Bewährtes aus der Bittner 1.0-Ära – aber jetzt eben auch ein Wildkräuter-Gartensalat mit einer Honigvinaigrette mit Essig vom Wiener Essigpapst Erwin Gegenbauer. Alternativ gibt es aromatische Ochsenherztomate vom Holzkohlengrill mit cremiger Burrata oder Blumenkohl mit Baba Ganoush, gerösteten Bucheckern und Sojalack.

Bittners erster Karte merkt man an, dass sie nicht vier Wochen vor Eröffnung aus dem Ärmel geschüttelt wurde, sondern das Ergebnis von viel Erfahrung und harter Arbeit mit dem Küchenteam ist. Nichts wirkt experimentell oder halbgar, die Kompositionen sind alle gelungen bis ins Detail und machen entsprechend Spaß – vor allem den Gästen, die kulinarisch schon weit herumgekommen sind und mit dem Anspruch ins Restaurant gehen, bei allem Spaß an Bewährtem auch Neues zu erleben. So raffiniert und in der Tat einzigartig wie bei Bittner 2.0 gibt es das aktuell nirgendwo.

Info
Villa Rothschild Grill & Health, international, Königstein, Im Rothschildpark 1, Do–Sa 18–23, So 12–15 Uhr, Mo–Mi Ruhetage
 
8. April 2024, 10.24 Uhr
Peter Eckard
 
Peter Eckard
Kurzbiografie folgt. – Mehr von Peter Eckard >>
 
 
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