Newsletter
|
ePaper
|
Apps
|
Abo
|
Shop
|
Jobs
Foto: © Michael Krug
Foto: © Michael Krug

Die Neueröffnung der Woche

Liesbeth Bäckerei & Café: Maximal wesentlich

In Mainz hat die Liesbeth eröffnet. Hinter der Bäckerei mit integriertem Hofladen und Café stecken Paul Schmiel und Katja Klein vom Pankratiushof. Wie im Hechtsheimer Stammhaus dreht sich im Liesbeth alles um echtes Handwerk, konzentriert auf das Wesentliche.
Was ist Geschmack? Der Kochkünstler Arpad Dobriban hat auf diese Frage einmal die einfache Antwort gegeben: „Spuren von Handlungen“. Anders gesagt, der Geschmack von echtem Essen, von echtem Brot, echter Butter, echtem Käse, das ist der Geschmack von echtem Handwerk, verstanden als perfektioniertes Zusammenspiel von ausgewählten Zutaten und erlernten Fähigkeiten. Und genau darum dreht sich alles auf dem Pankratiushof im beschaulichen Hechtsheim bei Mainz – nämlich aus echten, ausschließlich regionalen Zutaten, davon manches aus eigener Landwirtschaft, das Beste rauszuholen, während man sich zugleich auf das Wesentliche konzentriert.

Von Hechtsheim nach Mainz

Zum dem in neunter Generation geführten Familienbetrieb gehört neben einem Hofladen mit Produkten aus eigener Herstellung und von regionalen Produzenten, einer Lebensmittelmanufaktur und einer Backstube auch das Restaurant Pankratz. Letzteres ist überregional bekannt für die radikal produktorientierte und modern reduzierte Küche von Küchenchef Paul Schmiel, dem jüngsten Spross der Familie. Bis zu seiner Rückkehr an den familiären Hof vor vier Jahren hat Schmiel in den Küchen von einigen der besten Restaurants der Welt gearbeitet und zuletzt als Souschef im Berliner Restaurant Ernst hinterm Herd gestanden. Mitte Januar haben Schmiel und seine Familie nun in Mainz den Bäckereiladen mit Café-Betrieb und einer gar nicht mal so kleinen Auswahl an Produkten aus der Hofmanufaktur eröffnet.




Das Liesbeth im ehemaligen Lokschuppen der Mainzer Hafebahn © Michael Krug

Von außen ist auf den ersten Blick nicht viel zu sehen. Einzig eine warm goldgelb glimmende Lampe in der Form eines Croissants verweist darauf, dass sich hinter den hohen Fenstern und wuchtigen Klinkerwänden des ehemaligen Lokschuppens der Hafenbahn am Mainzer Zoll- und Binnenhafen das Liesbeth versteckt. Versteckt ist derzeit auch der Eingang. Denn noch muss man einmal um die Mainzer Kunsthalle spazieren, bevor man die Bäckerei über einen Seiteneingang betreten kann. Grund dafür ist eine Baustelle auf dem kleinen Platz vor dem Haupteingang zwischen Rheinallee und Hafenbecken. „Lieber jetzt als im Frühling“, sagt Paul Schmiels Partnerin, Leonie Schmiel, die sich um die Pressearbeit des Familienbetriebs kümmert und erzählt, wie es zur ersten Dependance des Pankratiushofs kam.

Vom Pop-up zum eigenen Laden

Im Winter 2020/21 ergab sich die Möglichkeit, für einige Wochen eine Location der Mainzer Eismanufaktur N’Eis direkt am Rhein als „Pop-up-Bakery“ mit Croissants und Co. aus der Hofbackstube zu bespielen. „Das war eine richtige Hauruck-Aktion. Die Schlüsselübergabe war montags und freitags ging der Verkauf los“, erinnert sich Leonie Schmiel. Die Nachfrage sei so groß gewesen, dass sich die Schmiels fortan nach einer geeigneten Location für einen eigenen Laden in Mainz umschauten: „Dann wurden die Räume im Alten Zollhafen frei und für Paul war klar, that’s it!“ Eine aufwendige Renovierung später erstrahlt der große helle Raum der alten Werkstatt mit hohen Decken und jeder Menge hellem Holz, einer großen offenen Küche mit Kaffeebar entlang der hinteren Wand, Sitzgelegenheiten auf der einen und einem Bäckereistand auf der anderen Seite. In der Mitte des Raums stehen eine Kühltheke und ein langer Tisch mit allerlei Produkten aus der Hofmanufaktur von hausgemachten Nudeln und Granola über Gin und Kombucha bis hin zu Semmelknödel und Kefirbutter. Die großen bodentiefen Fenster zum Vorplatz hin lassen sich im Sommer und ohne Baustelle vollständig öffnen.




Kleine luftig-knusprige und zugleich buttrig-saftige Kunstwerke © Michael Krug

Nicht nur optisch setzt sich das Liesbeth an diesem Standort an der Grenze zwischen dem Neubaugebiet Alter Zollhafen und der alten Neustadt von den Cafés und vor allem Bäckereien in der Gegend ab. Zwar gibt es in Mainz einige alteingesessene Bäckereien, die sich teils zu Großbäckereien mit mehreren Filialen gemausert haben, doch das Konzept der Hofbackstube und damit das Sortiment im Liesbeth haben eine ganz eigene Handschrift. „Wir arbeiten auf der Basis von Sauerteig, mit langer Teigführung und regionalen Zutaten“, erklärt Leonie Schmiel. Handwerkliche Qualität geht nun mal vor. Entsprechend konzentriert ist auch das sonstige Sortiment mit unter anderem Baguette, Körnerkasten-Brot, Brioche, Pain au Chocolat und Quiches sowie diversen Kuchen, die Katja Klein, Paul Schmiels Mutter, backt. Ein Highlight für Brotfans ist der Sauerteiglaib mit großporiger Krume und krosser Kruste, wie man es von modernen auf Sauerteigprodukte spezialisierten Bäckereien wie in Frankfurt das Zeit für Brot, mehlwassersalz oder ouwe kennt. In der Region Mainz sind die Hofbackstube und das Liesbeth die ersten ihrer Art.

Sauerteig zum Abschied

Für Paul Schmiel und den Pankratiushof hat das alles 2016 mit einem Geschenk angefangen: Schmiel war damals auf Wanderjahren durch die Küchen der Spitzengastronomie und machte ein mehrmonatiges, unbezahltes Praktikum im mit drei Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurant Frantzén in Stockholm. Als Dankeschön bekam Schmiel am Ende einen schon damals 15 Jahre alten Sauerteigansatz geschenkt. „Paul war total aus dem Häuschen. Ich war eher überrascht: Das ist der Dank!?“, erinnert sich Leonie Schmiel und lacht herzlich. „Aber mit diesem Geschenk hat Paul angefangen, sich mit Sauerteig auseinanderzusetzen. Ich kam teilweise nach Hause und Paul saß vorm Ofen, um das Brot beim Aufgehen zu beobachten.“ Schon damals sei es sein Traum gewesen, eine eigene Backstube zu betreiben.




Paul Schmiel hat lange an seinem Brotrezept gefeilt. © Michael Krug

Als er dann 2019 auf den Hof zurückkehrte, hatte er sein Brotrezept perfektioniert und den Ansatz aus dem Frantzén im Gepäck. Anfangs stand Schmiel noch selbst in der Backstube. Heute beschäftigt er eine Bäckerin und einen Bäcker, die nach wie vor mit dem Ansatz aus dem Frantzén backen. Auch wenn Schmiel sich nun auf die Küche im Pankratz konzentriert, ist seine Faszination für das Brotbacken so frisch wie am ersten Tag: „Das Besondere am Brot backen ist, dass man mit ganz ursprünglichem Handwerk viele Menschen erreichen kann. Ganz im Gegensatz zum Fine-Dining-Bereich, der in der Regel nur eine kleine Gruppe von Menschen anspricht“, sagt Schmiel. Dabei sei für ihn die Motivation stets dieselbe, ganz gleich ob in der Gourmetküche oder Backstube: „Es treibt mich an, aus Grundnahrungsmitteln das Maximale rauszuholen, sich auf das Wesentliche zu reduzieren und aus vermeintlich einfachsten Zutaten handwerkliche Kunstwerke zu erschaffen.“

Und warum der Name Liesbeth? Ganz einfach: Benannt ist die erste Dependance des Pankratiushofs nach der Ehefrau von Pankratz, dem Ur-Ur-Großvater von Schmiel und Namensgeber des Restaurants. Das tut an sich aber wenig zur Sache. Denn wie immer auf dem Pankratiushof geht es am Ende um die Produkte, um Qualität und das Handwerk dahinter.

Liesbeth, Mainz, Am Zollhafen 1, 06131/957780, Mi-Sa 9-15 Uhr, So-Di Ruhetage (angaben zu aktuellen Öffnungszeiten auf Liesbeth.Zollhafen)




Echtes Handwerk statt künstlicher Triebmittel @ Michael Krug
 
26. Januar 2023, 15.40 Uhr
srs
 
 
Fotogalerie:
{#TEMPLATE_news_einzel_GALERIE_WHILE#}
 
 
 
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Auf und Zu
 
 
 
Ältere Beiträge
 
 
 
 
Top-News per Mail