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Foto: © Weingut Georg Breuer
Foto: © Weingut Georg Breuer

Arche des Geschmacks

„Trinken, was man retten will!“

Früher war er im Rheingau weitverbreitet, heute ist er beinah ausgestorben – der Gelbe Orleans. Die Rebsorte wurde nun vom Slow Food Netzwerk in die „Arche des Geschmacks“ aufgenommen. Ziel der Arche ist das Bewahren biokultureller Vielfalt traditioneller Esskultur.
Einen feinen Tropfen genießen und gleichzeitig ein Stück Weingeschichte in die Gegenwart holen? Klingt kurios, ist aber dank der erhaltungszüchterischen Bearbeitung der historischen Rebsorte „Gelber Orleans“ Realität geworden. „Es ist ein Glücksfall für den Gelben Orleans, in die ‚Arche des Geschmacks‘ aufgenommen worden zu sein. Nicht nur, dass sich hier für den Konsumenten ein Fenster in die Vergangenheit öffnet, mit der Gelegenheit, eine historische Rebsorte zu erschmecken, sondern die damit einhergehende Aufmerksamkeit bietet eine Chance für die Rebsorte, wieder mehr Wertschätzung zu erlangen“, sagt Marion Thomas-Nüssler, Leiterin des Slow Food Convivium Rheingau. Daher auch ihr Credo: „Trinken, was man retten will!“

Der Gelbe Orleans

Auch wenn der Name der Rebsorte eine französische Herkunft vermuten lässt, ist der Gelbe Orleans in Frankreich gänzlich unbekannt. Tatsächlich ist die Rebsorte auch unter anderen Namen verbreitet, etwa als Orlänsch, Wälscger Weiß oder Gros Riesling. Manche Namen deuten auf den Anbau im Mittelalter hin. Während die genaue Herkunft unklar bleibt, wird der Anbau der historischen Rebsorte im Rheingau erstmalig 1709 erwähnt. Im 18. Jahrhundert war der Gelbe Orleans im Rheingau weitverbreitet. Der zunehmende Anbau anderer Rebsorten, vor allem von Riesling, verdrängte den Gelben Orleans ab dem Ende des 19. Jahrhundert schließlich weitestgehend. Während beispielweise in Rüdesheim im Jahr 1871 noch etwa 17,5 Hektar mit Gelbem Orlean bewirtschaftet wurden, waren es zehn Jahre später noch 7,5 Hektar. Nach der Rodung der letzten Kleinterrassen in den 1950er-Jahren waren von der Sorte insgesamt nur noch 25 Stock in deutschen Rebenzüchtungsinstituten vorhanden. Nachdem 1921 der vorerst letzte Rheingauer Orleanswein in Rüdesheim gekeltert wurde, kam die beiden letzten Flaschen dieses Jahrgangs aus den Beständen des Kloster Eberbach bei einer Weinversteigerung im Jahr 1988 unter den Hammer.

Die Käufer waren die Brüder Bernhard und Heinrich Breuer vom Weingut Breuer. Inspiriert von der Ersteigerung nahmen sie Kontakt zum Fachgebiet des Instituts für Rebenzüchtung und Rebenveredlung der Hochschule Geisenheim auf. Seitdem ist viel passiert. Der damalige, inzwischen verstorbene Institutsleiter, Prof. Dr. Helmut Becker, nahm sich der Sache an und begann mit der erhaltungszüchterischen Bearbeitung der Sorte. Mit Erfolg: Heute wird der Gelbe Orleans vom Weingut Breuer und anderen Weingütern wie Knipser, Gehring oder Weingut L. Velten sortenrein an- und ausgebaut. Insgesamt werden im Rheingau, Rheinhessen und Franken rund drei Hektar mit der historischen Rebsorte bewirtschaftet. Geschmacklich wird der Weißwein als sehr würzig und geschmeidig mit lebendiger Säure beschrieben. Die Besonderheit der Sorte ist die dicke Beerenhaut, die zu einer geringeren Fäulnisanfälligkeit führt. Zudem liegt der Reifezeitpunkt ca. zehn bis zwölf Tage nach dem Riesling. Gerade in Zeiten des Klimawandels, in denen der Riesling inzwischen „zu“ früh reift, werde die historischen Rebsorte wieder interessant, erklärt Thomas-Nüssler.

Die Arche des Geschmacks

Wurden in den 1980er-Jahren von den Breuer-Brüdern bereits erste Bemühungen in Richtung Erhalt und Schutz des Gelben Orleans unternommen, geht es in jüngster Zeit Schlag auf Schlag. Seit 2020 zählt die Rebsorte offiziell als Bestandteil des historischen Rebensatzes des Rheingaus und wurde in die Rote Liste der gefährdeten einheimischen Nutzpflanzen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung aufgenommen. Zuletzt wurde die Rebsorte in die 1996 vom internationalen Slow Food Netzwerk ins Leben gerufene „Arche des Geschmacks“ aufgenommen. Ziel der Arche ist es, dem fortschreitenden Verlust der biokulturellen Vielfalt entgegenzuwirken. Weltweit sind derzeit über 5200 „Passagiere“ an Board, wie man die aufgenommenen Schützlinge liebevoll nennt.
 
16. Februar 2023, 16.56 Uhr
Till Taubmann
 
Till Christian Taubmann
Jahrgang 1997, Studium in Kommunikationsdesign an der Hochschule Mainz, Arbeit als freier Illustrator, seit Januar 2023 beim JOURNAL FRANKFURT. – Mehr von Till Christian Taubmann >>
 
 
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