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Böses Gemüse
Foto: Beltz Verlag
Beltz Verlag
Ein Arzt, der dazu rät, von Vollkorn, Soja, Quinoa, Tomaten, Paprika, Auberginen und Erbsen die Finger zu lassen. Wir haben Oecotrophologin Ulrike Gonder nach ihrer Meinung zu „Böses Gemüse“ von Steven R. Gundry befragt.

Steven R. Gundry ist der erste Mediziner weltweit, der die lektinfreie Ernährung (LFE) in den Mittelpunkt seiner ärztlichen Behandlung stellt. Er möchte mit lektinfreier Ernährung Herzbeschwerden, Magen-Darm-Problemen, Dauermüdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Übergewicht den Kampf ansagen – ein Ratgeber, der Gemüse verteufelt. Laut Gundry befinden sich Lektine in zahlreichen „vermeintlich gesunden Lebensmitteln“. Das liege daran, dass viele Pflanzen von Natur aus mit Giftstoffen ausgestattet seien, um Fraßfeinde abzuwehren. Da Lektine vor allem in  Vollkorn, Soja, Quinoa, Melonen, Tomaten, Paprika, Auberginen und Erbsen zu finden sind, rät er dringend davon ab, diese zu essen. 

Im Rahmen seines LFE-Programms schlägt Gundry vor, zumindest zu Beginn der Diät, auf praktisch alle Getreidearten sowie Pseudogetreide, Linsen und andere Hülsenfrüchte, Tomaten, Paprika, Kartoffeln, Auberginen und raffinierte Speiseöle strikt zu verzichten. Der Essensplan basiert auf einigen Obst- und Gemüsesorten, einer begrenzten Anzahl an Proteinlieferanten, Nüssen, diversen Milchprodukten und Ölsorten. Im Gegensatz zur Paläo-Diät und anderen Low-Carb-Diäten, bei denen viel Fleisch gegessen wird, gibt es in der lektinfreien Ernährung größtenteils pflanzliche Lebensmittel, Fisch und Meeresfrüchte in Maßen und ab und zu ein Fleischgericht aus artgerechter Haltung.

Aber was sind Lektine eigentlich? Oecotrophologin Ulrike Gonder sagt: „Eine Pflanze ist ein Lebewesen, das mit seiner Umwelt interagieren muss. Ein Teil der Proteine in den Randschichten von zum Beispiel Vollkornreis sind Abwehrstoffe. Das sind Stoffe, die die Mineralien festhalten, zum Beispiel Phytin sowie Enzyminhibitoren, die unsere Verdauungsenzyme lahm legen. Die Strategie der Pflanzen ist im Grunde, die Mäuler, die sich an ihr vergehen wollen, mit ihren Samenkernen zu vergiften oder zumindest für Unwohlsein oder schlechte Verdauung zu sorgen, in der Hoffnung, dass man dann von ihnen ablässt. In der Ernährungswissenschaft ist das viel zu wenig beachtet worden.“ Diese Lektine seien besonders perfide: „Sie können im Darm, im Blut, im gesamten Körper Unheil anrichten. Die Frage ist: Wieviel kommt durch den Darm? Wie gesund ist die Darmflora?“





Foto: Marita Steuernagel



Grundsätzlich hätten pflanzliche Lebensmittel einen Heiligenschein, so Gonder, „weil wir alle gelernt haben, dass pflanzlich gut sei. Ein extrem wichtiger Punkt, der vergessen wird, ist, dass Pflanzen sich gegen das Gefressenwerden wehren. Da sie nicht weglaufen können, bilden sie ein ganzes Arsenal an Chemikalien, die Fraßfeinde abhalten sollen – Lektine.“

Jedoch seien diese nicht in jeder Menge schlecht: „Es kann sogar sein, dass diese Abwehrstoffe in geringer Menge positiv wirken. Es gibt sogar medizinische Anwendungen, zum Beispiel die Misteltherapie bei Krebs. Da geht es um die Mistellektine, die einen positiven Nutzen haben. Der Verdauungstrakt des Menschen ist aber zum Beispiel nicht darauf ausgelegt, rohe Körner zu verdauen.“ Deshalb würde Gonder nicht so weit wie Gundry gehen, aber grundsätzlich gelte: Gerade Hülsenfrüchte und Getreide müssen vernünftig verarbeitet werden, sonst sind sie nicht gesund.

Böses Gemüse ist ein Werk, das kontroverse Reaktionen ausgelöst hat. Fragt man Gonder nach den Ursachen dafür, antwortet sie: „Gerade, wenn man gelernt hat, dass Vollkorn gesund ist, kann man sich gar nicht vorstellen, dass Darmbeschwerden, rheumatische Entzündungen oder Konzentrationsschwächen von Lektinen kommen. Das muss auch nicht der Fall sein, weil jeder Organismus unterschiedlich ist. Aber die Berichte häufen sich doch. Es kann sein, dass der Darm vieler Menschen heutzutage durchlässig ist, weil wir keine intakte Darmflora und keine intakten Darmzellen mehr haben. Können dann Lektine durchschlüpfen, dann kommen sie über das Blut in den ganzen Körper. Die Symptome sind in solchen Fällen sehr unterschiedlich“, betont die Oecotrophologin.

Gonder weist darauf hin, dass bei der Lektüre von Gundrys Werk darauf zu achten ist, aufmerksam zu lesen: „Er sagt eben nicht, dass wir auf alle Lektine verzichten sollten. Das ginge auch gar nicht. Zum Beispiel empfiehlt er einige Nüsse, die natürlich auch Lektine enthalten. Es geht darum, die bekanntesten Übeltäter auszuschließen. Beim Drei-Tage-Reinigungsprogramm werden erstmal die schlimmsten Lektinquellen gemieden. Liege es, laut Gundry, an einem entzündeten oder durchlässigen Darm lag, dann kann man, wenn er wieder heil ist, kleine Mengen aufnehmen, wobei Gundry schon sehr strikt gegen Getreide und Hülsenfrüchte ist.“ 

Ulrike Gonder hält Gundrys Werk grundsätzlich für sinnvoll. Zu bedenken bei der Lektüre seien zwei Dinge: „Erstens: In Amerika ist immer alles noch ein bisschen extremer als bei uns – Tierfütterung, Düngung, genetisch veränderte Lebensmittel, die es bei uns bei uns so gar nicht gibt und damit einhergehend die gesundheitlichen Beschwerden. Zweitens: Man kann nicht sagen, dass Gundrys Ansatz für alle entscheidend ist, denn Menschen die sich gesund fühlen, gehen nicht zum Arzt. Menschen hingegen, die Beschweren haben, die sie nicht zuordnen können, seien es Darmbeschwerden, ständige Infekte, Entzündungen, bis hin zu Rheumatismus, für die lohnt es sich, zumindest mal auf die Ernährung zu schauen: Welche Menge an Lektinen nehme ich zu mir? Wieviel Vollkorn, das mir gar nicht gut bekommt, esse ich? Für solche Fälle gibt das Buch eine gute Handlungsanleitung.“



„Böses Gemüse – Wie gesunde Nahrungsmittel uns krank machen" von Steven R. Gundry ist im Beltz Verlag erschienen und für 19,95 Euro im Handel erhältlich.

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14. Mai 2018
Katrin Börsch
 
 
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