Der Branchenverband Initiative Gastronomie Frankfurt e.V. feiert im Juni zehnjähriges Bestehen. Wir haben mit der Vorstandsvorsitzenden Lena Iyigün und Vorstandsmitglied James Ardinast über Herausforderungen, Entwicklungen und Visionen für die Zukunft gesprochen.
Interview: Lisa Veitenhansl /
JOURNAL FRANKFURT: Was ist die Initiative Gastronomie Frankfurt e.V. (IGF) und was sind ihre Aufgaben? Lena Iyigün: Die IGF ist ein Zusammenschluss von aktuell hundert Individualgastronomiebetrieben aus Frankfurt. Sie setzen sich gemeinsam für die Branche ein, aber auch für die Attraktivität in der Stadt und die Belebung des öffentlichen Raums, für ein kulturell vielfältiges, diverses Miteinander in den Stadtteilen und der Innenstadt.
James Ardinast: Wir legen den Fokus auf die Individualgastronomie, um sie zu organisieren und zu systematisieren, damit wir konkurrenzfähig bleiben und eine starke Stimme haben. Denn wir sind überzeugt: Individualgastronomie ist essenziell für das Überleben der Innenstädte.
Iyigün: Unsere Läden und unsere Arbeit sind wichtig für die Stadt, für die Kultur, für das Zusammenleben. Es gibt mehr als 2000 Gastronomiebetriebe in Frankfurt. Das ist die höchste Gastronomiedichte in Deutschland. Aber es sind eben überwiegend kleine, individuelle Betriebe. Deswegen ist es für die Stadt wichtig, dass wir oder auch andere Branchenverbände, wie der Dehoga oder die IHK, als Multiplikatoren wirken.
War das auch damals vor zehn Jahren der Gedanke, mit dem die IGF gegründet wurde? Ardinast: Die erste Motivation war, dass wir eine Einkaufsgemeinschaft bilden wollten, um Kräfte zusammenzulegen, aber auch um Vorteile beim Einkauf zu haben. Doch wir haben gemerkt, dass es gar nicht so einfach ist, weil man dazu Zahlen preisgeben und eventuell auch Lieferanten teilen muss. Aber die Idee war schon vor zehn Jahren, gemeinsam eine stärkere Stimme zu haben. Daraus hat sich die IGF entwickelt, wie sie heute existiert.
Was waren große Herausforderungen, die ihr in den vergangenen Jahren hattet? Iyigün: Ich glaube, wie wir alle, die Corona-Pandemie und diese extremen Unsicherheiten von Lockup und Lockdown. Das ist für ein operatives Geschäft im Dienstleistungsbereich eine Katastrophe gewesen – für uns aber auch für viele andere in der Stadt. Wir haben versucht, uns zu organisieren und uns für unsere Themen einzusetzen. Das haben wir auch im Nachgang von Corona fortgeführt, etwa beim Ukrainekrieg und den entsprechenden Teuerungen bei Lebensmitteln. Das hat die Branche ganz schön durchgeschüttelt. Und auch der Mindestlohn ist für uns wirklich disruptiv. Das führt dazu, dass Preise steigen müssen, dass sich die Kalkulation verändert, dass Betriebe es nicht mehr schaffen, rentabel zu arbeiten.
Wie funktioniert der Austausch mit politischen Akteurinnen und Akteuren? Ardinast: Was bei uns stetig hoch auf der Agenda steht, ist der Dialog mit der Kommunalpolitik, um gemeinsam zu schauen, wie wir Frankfurt zukunftsträchtig und attraktiver aufstellen können. Wir sehen in der Individualgastronomie einfach viel Potenzial und Ressourcen, um das mitzugestalten.
Iyigün: Wir werden auch regelmäßig von verschiedensten Akteur:innen aus der Stadtpolitik eingeladen, um unsere Situation darzustellen, um sich auszutauschen sowie um neue Ideen und Maßnahmen zu besprechen. Wir haben ganz konkrete Forderungen und versuchen, unsere Prioritäten immer wieder klar zu formulieren. Bedeutend dabei ist das Thema Ausländerbehörde, was unsere Branche seit vielen Jahren umtreibt. Es hat sich einiges verbessert, aber es ist immer noch viel zu wenig. Bis 2050 werden wir jedes Jahr viel mehr Leute haben, die in Rente gehen als Leute, die in den Job einsteigen. Und da muss sich die Ausländerbehörde als Schlüsselorganisation für Integration von Geflüchteten, aber auch für Fachkräfte-Zuzug besser aufstellen. Das immer wieder hoch auf die Agenda zu kriegen, dafür müssen wir echt laut sein.
Welche Projekte habt ihr momentan, an denen ihr arbeitet? Iyigün: Zum einen haben wir das Thema Weiterbildung von Mitarbeitenden aus unseren Betrieben. Dann haben wir eine starke Zusammenarbeit über das neu gegründete Aktionsbündnis Ernährungswende. Das ist eine Kooperation unter dem Dach des Ernährungsrats Frankfurt. Das ist ein großes Projekt mit verschiedenen Facetten. Dann haben wir ein Projekt zum Thema Digitalisierung gemeinsamen mit dem TechQuartier und der Agentur New Spice sowie das Foodtura Festival mit der Gastro Con.
Ardinast: Die Foodtura Gastro Con findet auch in diesem Jahr wieder statt. Damit wollen wir die Individualgastronomie auf die Zukunft vorbereiten und unsere Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung pushen, weil sich die Individualgastronomie damit manchmal ein bisschen schwertut. Daraus sind strategische Partnerschaften mit dem TechQuartier und New Spice, eine IT-Agentur aus München, entstanden. Wir wollen Wege finden, die regionalen Liefer- und Wertschöpfungsketten besser durch Digitalisierung zu verknüpfen.
Was sind Meilensteine eurer Arbeit bei der IGF in den vergangenen Jahren? Ardinast: Unsere größte Errungenschaft ist: Wir haben der Individualgastronomie in dieser Stadt eine Stimme gegeben. Es gibt eigentlich kein Format mehr, bei dem es um Gastronomie geht und die IGF nicht eingeladen wird. Das war unsere Zielsetzung und das haben wir geschafft. Jetzt müssen wir in den nächsten Jahren schauen, wie wir diese kleinteiligen Interessen all unserer Mitglieder kanalisiert bekommen, um sie sukzessive abzuarbeiten.
Nach dem Vorbild der IGF haben sich auch Initiativen in anderen deutschen Städten gegründet, beispielsweise in Köln. Ist die IGF mit diesen im Austausch? Ardinast: Der Dialog zwischen den verschiedenen Städten wird forciert, hauptsächlich durch die IGF. Das Foodtura Festival soll in den nächsten Jahren immer mehr auch Plattform für die verschiedenen Interessengemeinschaften sein, um uns städteübergreifend noch mehr miteinander zu verbinden. So können wir dann vielleicht über die Kommunen auf die Länder einwirken und im Bestfall dann irgendwann auf den Bund.
Was ist eure Vision für die Zukunft? Ardinast: Wir wollen Frankfurt zur Gastro-Hauptstadt Deutschlands machen. Und das vor allem durch die Zukunftsträchtigkeit der Individualgastronomie. Wie Lena gesagt hat, gibt es in Frankfurt die höchste Gastro-Dichte in ganz Deutschland. Wir können hier auf kurzem Weg schnell Dinge umsetzen, ob mit Wirtschaft, Politik, der Gastro-Branche und anderen Verbänden. Das haben wir uns auf die Agenda geschrieben und ich finde, wir sind auf einem guten Weg.
Iyigün: Wir wollen noch mehr Betriebe in Frankfurt einbeziehen. Das ist auch immer ein Personalthema, aber wir sind digital gut aufgestellt mit Instagram und digitaler Anmeldung über unsere Website. Es kommen permanent neue Mitglieder dazu, dieses Jahr zum Beispiel Zino’s Spritz. Jeder Individualgastronom hier in Frankfurt ist herzlich eingeladen, sich einzubringen, entweder als stilles Mitglied oder auch als aktives. Wir freuen uns immer, wenn neue Betriebe dazukommen, die einen anderen Blickwinkel mitbringen, andere Produkte haben oder einfach Lust haben, sich zu engagieren.
Info Lena Iyigün ist Gastronomin und betreibt mit ihrem Mann das Glauburg Café im Frankfurter Nordend. Seit ein einhalb Jahren ist sie Vorstandsvorsitzende der IGF.
James Ardinast leitet die Gastro-Agentur IMA Clique, die unter anderem die Bar Shuka betriebt und Events plant. Neben der Arbeit im Vorstand der IGF ist er auch im Tourismusausschuss der IHK Frankfurt und dem Dehoga Kreisverband Frankfurt tätig.
Iyigün und Ardinast sowie alle anderen Vorstandsmitglieder der IGF arbeiten dort ehrenamtlich.