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Zu Besuch beim Küchenchef
So schmeckt der Odenwald
Foto: Dirk Ostermeier
Dirk Ostermeier
Würde Siegfried immer noch im schönen Odenwald umherstreifen, so hätte er schnell sein Lieblingsrestaurant gefunden, um mal Pause von der Drachenhatz zu machen: Bei Familie Treusch in Reichelsheim.

Und so ist man als Autor schnell verführt, eine solche Geschichte mit dem Klassiker „Es war einmal ...“ zu beginnen, denn schaut man an die Decke der rustikaleren Johanns-Stube, so findet sich hier genauso der Name der Gastgeber wie auf zahlreichen Bildern an den Wänden. Tradition ist hier allerdings kein eitles Zierat für Touristen, sondern vielmehr eine täglich gelebte Selbstverständlichkeit, und so geht der Blick der Familie nicht nur zurück, sondern reicht auch weit nach vorn. „Wir wollen das erreichte Niveau perfektionieren und ruhen uns keinesfalls auf unseren Lorbeeren aus“, sagt Armin Treusch, während seine 18 Monate alte Enkelin Angelina neugierig in den großen Topf schaut, in dem Sohn Thomas gerade die Tagessuppe zubereitet. Beim gemeinsamen Mittagessen, zu dem sich nicht nur die Familie, sondern auch sämtliche Angestellten an einem Tisch zusammenfinden, nimmt auch die hoch betagte Schwiegermutter des Odenwälder Spitzenkochs Platz, und genauso auf den Punkt konzentriert, wie man diesen freien, gemeinsamen Moment genießt, geht es dann den Rest des langen Arbeitstages in der Küche und im Service weiter. Schon springt ein junger Kellner auf, denn seit kurzem gibt es bei Treusch auch einen Mittagstisch, ein Stammessen, das von den Gästen begeistert aufgenommen wird. Da kommt manchmal auch das eigene Mittagsmahl zu kurz.


Ein Platz zum Wohlfühlen


Die Küche ist zeitgemäß ausgestattet, steht jedoch in wohltuendem Kontrast zu den High Tech-Arbeitsplätzen vieler Kollegen. Unwillkürlich fällt uns der Begriff Wohnzimmer ein, denn hier kann man sich gut vorstellen, den ganzen Tag am kleinen Tisch zu sitzen, der Arbeit der Köche zu folgen und ab und an aus den Töpfen zu stibitzen. Es ist gemütlich und fühlt sich nach Zuhause an. Von hier aus werden sowohl die Gäste des Gourmet-Restaurants als auch der Johanns-Stube mit Speisen versorgt – der Raum liegt genau zwischen beiden Restaurants.


Während Vater und Sohn in der Küche wirken, betreut Ehefrau Elke Treusch nicht nur liebevoll die Gäste, sondern hat vor allem einen ausgeprägt grünen Daumen. Nach dem Krieg gab es nicht viel, was man hätte verarbeiten können, also wurde die Fläche hinter dem Haus bewirtschaftet, mit Gemüse besetzt, so viel es irgend ging. Der Rest wurde zugekauft, aus der Mainmetropole Frankfurt herbeigeschafft, was nicht nur aufwändig, sondern zudem kostenintensiv war. Da lag es nah, schon weit vor dem großen Trend namens Regionalität auf Produkte zu setzen, die in der unmittelbaren Nachbarschaft gedeihen. Heute sind Vater und Sohn absolute Spezialisten in Sachen Odenwaldküche. Mangold, Bohnen oder Salat kommen dabei aus dem Garten der Mutter, Rindfleisch liefert das Hofgut Schleiersbach in Fränkisch-Crumbach, die Milchprodukte kommen aus der Molkerei Hüttenthal, das Geflügel vom Geflügelhof Strauß, selbst das Eis vom Reichelsheimer Hardthof. Kürbis, Nüsse, Mirabellen oder Johannisbeeren bringen die Nachbarn, Bio ist Standard und überhaupt ist man bestens vernetzt in dieser an kulinarischen Reizen so reichen Gegend. Armin Treusch hat jetzt sogar ein Odenwald-Kochbuch veröffentlicht, in dem er liebevoll die besten Rezepte zahlreicher Kollegen aus der gesamten Region gesammelt hat, um diesen eine schöne Auswahl eigener Ideen hinzuzufügen.


Kräuterwürzig und apfelfruchtig


Für ihre Kräuter hat Elke Treusch nach der Verpachtung des Hotelbetriebs nun endlich mehr Zeit: Hinter dem Haus gedeihen Sauerampfer, Löwenzahn und zahlreiche weitere Wiesen- und Küchenkräuter unter ihrer segensreichen Hand, um in der Küche zu kreativen Gerichten verarbeitet zu werden. Da Sohn Thomas nun weitestgehend den Kochlöffel schwingt, widmet sich Armin Treusch jetzt noch intensiver einer weiteren Leidenschaft: Dem Apfelwein. Mit dem hat er sich weit über die Grenzen des Odenwaldes einen wohlklingenden Namen gemacht, denn seine sortenreinen Tropfen aus einheimischen Sorten wie beispielsweise dem Reichelsheimer Weinapfel gehören zum Besten, was die deutsche Apfelweinkultur zu bieten hat. In seinem kleinen Ladengeschäft neben der Johanns-Stube findet man neben dem kompletten eigenen Sortiment auch Gewächse anerkannter Kollegen wie Michael Stöckl oder Dieter Walz, alles zum Mitnehmen oder direkt vor Ort in Verbindung mit den köstlichen Speisen zu genießen.


Betrachtet man das Gesamtkonzept Treusch, so fällt der bewahrende Charakter der Arbeit dieser außergewöhnlichen Familie auf. Dabei hat man hier weder einen musealen noch einen generell konservativen Ansatz – das Ergebnis schmeckt einfach besser und es macht viel mehr Spaß, mit Menschen aus seiner direkten Umgebung zu arbeiten, als anonyme Lebensmittel aus aller Herren Länder zu beziehen, von denen man nicht einmal genau weiß, wie sie erzeugt wurden. So bezieht man sein Lammfleisch auch nicht von der weit entfernten und bei Spitzengastronomie derzeit schwer angesagten Müritz, sondern lieber von Schafzüchter Bernd Keller und seiner Frau Christel aus Rehbach bei Michelstadt. 


Echt Schaf!


Wie kommt man eigentlich auf die Idee, Schafe zu züchten, wenn man nicht in einer Familientradition steht? Bernd Keller ist hauptberuflich Autohändler, was ja nicht gerade in Richtung Tierzucht verweist, doch die gesamte Familie hatte schon immer ein großes Herz für Tiere. Man teilte seit der Geburt der Tochter das Haus mit Wellensittichen, Meerschweinchen und Hunden, doch kaum war die Tochter erwachsen und aus dem Haus, stellte sich die Frage nach der Zukunft in Sachen Haustier. Schließlich entschied man sich für das große Format: Zwei Schafe mussten her, denn „von denen hat man ja später auch noch was auf dem Teller“. Und wie so oft, so kam es auch hier, denn zwei Schafe sind einfach nicht genug, wenn Freunde, Bekannte und Freunde der Bekannten Schlange stehen. Also überlegte Familie Keller kurz und entschied sich dann für die professionelle Variante. Ein großer Stall wurde mitten auf der sprichwörtlichen grünen Wiese gebaut, heute leben dort im Winter annähernd 90 Mutterschafe – Ziel für 2012 sind schließlich 120 Stück. Die hauptsächlich der Rasse deutsches schwarzköpfiges Fleischschaf angehörigen Tiere haben ausreichend Platz, fühlen sich sichtbar wohl und freuen sich schon auf den Frühling, denn kaum sind die Temperaturen halbwegs erträglich, geht es hinaus in die Natur, wo die Schafe dann das ganze Jahr über im Freien leben. Dabei ziehen Keller und seine Söhne Thomas und Björn mit ihnen systematisch in einem großen Kreis um seine Heimatgemeinde herum und weidet Wiese um Wiese ab.


Natürlicher geht es nicht, und natürlich ist auch ein freundlicher Hund mit von der Partie – nein, kein Schäferhund, sondern ein Border-Collie, von denen man hier gleich fünf an der Zahl hält. Die Lämmer wachsen gemeinsam mit der Mutter auf und die kleinen hüpfen fröhlich auf einen Heuballen und von dort wieder herunter, während uns Keller die unterschiedlichen Altersklassen erläutert. Dabei zeigt sich, wie selbstverständlich hier Tierliebe einerseits und nüchternes Denken andererseits Hand in Hand gehen, denn während es der Stadtmensch unvorstellbar findet, die süßen Tiere ins Jenseits zu befördern, sieht Keller das ganz pragmatisch – schließlich schmeckt sein Lammfleisch hinreißend gut, und das weiß er selbst am besten. Geschlachtet wird beim Metzger im Ort und Christel Keller vermarktet das Fleisch seit 2009 ausschließlich über die Odenwald-Gasthäuser, ein Netzwerk engagierter und qualitätsbewusster Gastronomen, die ihrer Region ein (noch) besseres kulinarisches Image geben möchten. Auch Armin Treusch gehört zu den treuen Kunden und verwendet das Fleisch für eines seiner beliebtesten Rezepte, Lammkeule auf Wiesenheu gebraten, an dem Sie sich nach seinem Originalrezept auch mal Zuhause versuchen können – sollte etwas schiefgehen, bleibt ja immer noch die Anreise nach Reichelsheim.


Bei derart viel Harmonie und heiler Welt könnte man fast sentimental werden, doch hinter der romantischen Kulisse steht jede Menge harte Arbeit – und die hat Zukunft, denn neben einem allgemein gestiegenen Umweltbewusstsein und der zunehmend kritischen Betrachtung der oft skandalösen Umstände industrieller Lebensmittelproduktion sorgt ein weiterer Faktor dafür, dass sowohl den Kellers als auch Familie Treusch die Arbeit so schnell nicht ausgehen dürfte: Der gute Geschmack! Den lehrt Armin Treusch auch ganz persönlich bei einem seiner unterhaltsamen Kochkurse. Und dann erzählt er bestimmt wieder von der Schönheit seiner Heimat – und den vielen tollen Rezepten, die sie hervorgebracht hat!


Treuschs Schwanen, Familie Armin Treusch, Rathausplatz 2, 64385 Reichelsheim, Tel. 06164-2226, www.treuschs-schwanen.com, info@treuschs-schwanen.com,


 Bernd und Christel Keller, Am Eckertsberg 11, 64720 Michelstadt-Rehbach, Tel. 06061-71201, www.odenwald-schaefer.de, bernd.keller@odenwald-schaefer.de


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22. August 2011
Bastian Fiebig
 
 
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