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Zu Besuch beim Küchenchef
Küchenmeister im Märchenschloss
Foto: Dirk Ostermeier
Dirk Ostermeier
Hubertus Schultz hat nicht nur viel erlebt und dem Gederner Schloss neues Leben eingehaucht, sondern engagiert sich auch nachhaltig für seine Lieferanten in der Region Wetterau und Vogelsberg.

Schon von weitem fällt es sofort ins Auge: Hubertus Schultz ist einer der ganz großen unter den Köchen! Ja, der beinahe zwei Meter große Hüne würde auch in einem Märchen der Gebrüder Grimm als das Ideal eines Küchenmeisters durchgehen, doch auch fachlich muss sich Schultz vor niemandem verstecken, denn er hat sein Handwerk von der Pike auf gelernt, betreibt dieses im eigenen Restaurant mit einer in dieser Form wirklich selten anzutreffenden Leidenschaft und gibt sein umfangreiches Wissen unterdessen in der eigenen Kochschule im Gewölbekeller des Schlosses an neugierige Hobbyköche weiter. Seit 2007 betreibt Schultz nun sowohl Hotel als auch Restaurant im romantischen Gebäude, das auf eine ereignisreiche Geschichte zurückblicken kann. Anfang des 17. Jahrhunderts wurde die bereits in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts errichtete sogenannte Wolframsburg allmählich zu einem Schloss umgebaut, zwischen 1675 und 1710 modernisierte man das Ensemble dann im barocken Stil, wobei man hier goldenes Zierat oder schwülstige Gemälde vergeblich suchen wird, denn die Einrichtung ist so schlicht wie elegant und dabei angenehm unzeitgeistig. Heute wird ein Teil des Hauses von der Gemeindeverwaltung belegt, der größere obliegt den sensiblen und kreativen Händen von Hubertus Schultz, der zunächst zögerte, sich nachhaltig in Gedern zu engagieren. „Ich habe das durchgerechnet und es lohnte sich einfach nicht“, sagt er mit nachdenklichem Gesicht, doch auf die Frage, weshalb er sich nach mehreren Anläufen dennoch überreden ließ, hat er nach kurzem Zögern nur ein Wort als Antwort parat „Leidenschaft“. 


Die lernte der junge Hubertus – heute übrigens Koch in der vierten Generation – bereits bei seinem Großvater kennen, der jedoch offenbar nicht immer Anlass zur Freude an seinem Küchenteam hatte. „Da flogen die Pfannen durch die Küche, während Großvater aus vollem Halse schimpfte“. Hier lernte Schultz noch, den Herd mit Kohle einzuheizen, die er zuvor aus dem Keller geholt hatte und lauschte dann Geschichten aus alten Tagen. Seine tiefe Liebe zu Produkten und Rezepten seiner Heimat stammt ebenfalls aus dieser Zeit und das Bewirten sowie die Unterhaltung von Gästen waren von frühester Kindheit an Teil seines Lebens.


Geboren wurde Schultz in Bad Salzhausen, also kaum ein paar Kilometer von Gedern entfernt, doch ein junger Koch muss nun mal in die Welt hinaus. So verdiente er seine Sporen in diversen europäischen Spitzenrestaurants, gewann bei Kochausstellungen in Frankfurt und Basel mit seinem Team zahlreiche bedeutende Preise, wurde 1988 jüngster Küchenmeister Deutschlands und erhielt im folgenden Jahr mit seiner Mannschaft im französischen Le Touquet das begehrte Diplôme d’honneur, wobei ihm wegen herausragender Leistungen zusätzlich die Ehrenmedaille der Stadt Le Touquet übergeben wurde – bis heute ein beispielloses Ereignis. 1991 wagte Schultz erstmals den Schritt in die Selbständigkeit und eröffnete in Schotten das Gourmet-Restaurant Hochzeitshaus. Alle großen Restaurantführer zeichneten ihn aus, die Gäste kamen in Scharen und dennoch suchte der erfolgreiche Koch nach neuen Herausforderungen. Also zog es ihn weg vom Herd ins Management, wo er zunächst als Hoteldirektor und -betriebsleiter, später als Produkt- und Konzeptmanager, Marketingreferent und Operationsmanager tätig war. Wer Interesse an faszinierenden und durchaus auch erschreckenden Geschichten aus der bunten Welt der Systemgastronomie hat, der findet in Schultz einen ausgesprochen lebendigen Berichterstatter, an dessen Lippen man für Stunden kleben kann, während er in seinen Erzählungen einen farbenreichen Bogen durch Europa bis nach Russland spannt – Nachfragen lohnt durchaus.


Ein derart vitaler, neugieriger und gleichsam erdverbundener Charakter hält es naturgemäß nicht lang in solchen Betrieben aus, doch Schultz reiste ganze 12 Jahre durch die Welt und organisierte Warenströme, Veranstaltungen und sogar Center-Parks, bevor ihm schließlich ein Licht aufging. „Ich sag’ es einfach, wie mir der Schnabel gewachsen ist: Ich hatte keinen Bock mehr auf Management“. Zunächst gründete er 2006 mit „Schultz Food & Events“ seine eigene Kochschule, bevor er schließlich nach langem Drängen der Gemeinde die Räume im Gederner Schloss als Betreiber übernahm.


Die Hotelzimmer wurden wunderschön renoviert, strahlen heute genau jenes romantische Flair aus, das man in solchen Häusern sucht und auch das Restaurant wurde behutsam nach individuellen Vorstellungen gestaltet. Da gibt es einen Raum für die Herren mit Saufedern (Spießen) an der Wand, Ritterrüstung neben dem „Giftschrank“ (die Spirituosenvitrine) und allgemein etwas rustikalerem Ambiente, während es nebenan bei den Damen deutlich gepflegter zugeht. Hier bestimmen zartfühlend angefertigte Grafiken und Gemälde die Wände und das Licht ist angenehm mild, doch gleich nebenan liegt der perfekte Raum für ein gruseliges Dinner – hier befand sich früher das Gefängnis, und auch heute ziert noch eine Schandmaske aus Stahl die Wand. Was dem Ambiente jedoch keinen Abbruch tut: Hier kann man bestimmt gut in trauter Runde versacken und den Inhalt des Giftschrankes umweltfreundlich entsorgen.


In Schultzens Küche dreht sich alles um regionale Produkte und Rezepte, die er oft modern interpretiert, ohne dabei deren Ursprung zu verfälschen. Er ist bekennender Hesse und vergleicht sich dabei mit den Franzosen, die ja ebenfalls ungemein stolz auf ihre Heimat und Produkte sind. „Ich bin stolz, ein Hesse zu sein, aber das hat nichts mit Politik oder Chauvinismus zu tun – hier gibt es noch Bäcker die backen, Metzger die schlachten und Köche die kochen, und das ausgesprochen gut. Man muss einfach diese tollen, oft total verrückten Leute unterstützen, die hier jeden Tag dafür sorgen, dass unser Tisch mit faszinierend guten Produkten reich gedeckt ist.“ Da reicht nur ein Tropfen von der selbst gemachten Birne-Eberesche-Konfitüre, um das zu glauben, und fast alles, was hier zu köstlichen Speisen verarbeitet wird, stammt aus dem unmittelbaren Umfeld, also aus Wetterau und Vogelsberg. Der sympathische Küchenmeister sorgt sich auch um jene, die entweder kein Geld oder keine Bildung besitzen, um sich gut zu ernähren. Er unterstützt seit Jahren aktiv die Tafel und bietet auch an Schulen Kurse an, in denen sich alles um die richtige und natürlich schmackhafte Ernährung dreht. Schließlich reicht er sein umfangreiches Wissen in seinen Kochkursen weiter, zu denen nicht nur Menschen aus der Region in seine Lehrküche kommen. Selbst aus Frankfurt reisen die Kursteilnehmer der Genussakademie regelmäßig zu Genussweekends an – und kommen dann gerne immer wieder, denn der Mann ist nicht nur ein begnadeter Unterhalter, sondern auch noch ein ausgesprochen guter Pädagoge.


Außerdem hat er genau das richtige Gespür für das, was neugierige Journalisten gerne sehen möchten und führt uns also über verschlungene Sträßchen und Waldwege ins Tal des Läunsbach. Hier wohnt Björn Kral in völliger Einsamkeit und fährt von hier aus jeden Morgen nach Bad Nauheim, um dort seinem Beruf als Event- und Kulturmarketinspezialist für die Stadt nachzugehen. Sein „Hobby“, oder sollte man doch lieber sagen: seinen zweiten Beruf übt er jedoch direkt vor Ort aus. Er züchtet Edelkrebse, genauer: heimische Edelkrebse. Die sind erheblich größer als die unterdessen häufig anzutreffenden amerikanischen Flusskrebse und haben sich bei denen bereits im vorletzten Jahrhundert mit der sogenannten Krebspest angesteckt. Die Krankheit hat einen Großteil der hier lebenden Arten hinweggerafft und ist immer noch latente Bedrohung. Außerdem sind Flusskrebse ungemein sensibel und reagieren schon auf geringste Mengen eingeleiteter Pestizide oder Fungizide aus der Landwirtschaft mit spontanem Ableben. So sind deutsche Flusskrebse selten geworden und Menschen wie Björn Kral fällt nun eine wichtige Rolle bei der Rettung und dem Wiederaufbau der noch existierenden Bestände zu.


Die einheimischen Sorten haben im Vergleich mit dem Import aus den USA respektables Format. Kral hat sich gerade einen ausgewachsenen Herren auf die Hand gelegt, als der ordentlich mit beiden Scheren zupackt. Da bleibt Kral nur noch der Gang zum Bassin, um mit schmerzverzerrtem Gesicht die Hand ins drei Grad kalte Wasser zu halten, damit der Krebs endlich loslässt. Was bleibt, sind zwei große blaue Flecken an der Hand. „Die kleinen sind noch fieser, da geht die Schere wie durch Butter direkt bis zum Knochen durch“. Na fein. Da muss man schon viel Leidenschaft fürs Metier mitbringen. Die hat sich Kral bereits vor vielen Jahren in Schweden geholt, wo das Thema Krebse einen weitaus höheren Stellenwert hat, als hierzulande. Zunächst experimentierte er mit ein paar Exemplaren, die er im Läunsbach gefunden und in seinem Teich ausgesetzt hatte. Daraus wurden auf ganz natürliche Art und Weise immer mehr – mittlerweile zieht Kral Generationen von Flusskrebsen in seinen großen grünen Becken heran und nimmt sogar an einem Artenschutzprojekt teil. Hierbei wurden aus den mit der Lahn verbundenen Nebenflüssen zunächst einige Tiere entnommen. Diese sind bestens an ihre natürliche Umgebung angepasst, werden in Krals Anlage vermehrt und der Nachwuchs schließlich wieder an Ort und Stelle ausgesetzt. So sollen sich die dezimierten Bestände nach und nach wieder erholen und so sieht Kral seine Tätigkeit denn auch hauptsächlich in diesem Zusammenhang.


Doch was an überschüssigen Tierchen anfällt, steht bereits auf der Orderliste einiger eingeweihter Küchenchefs, die unterdessen Wind vom umtriebigen Krebszüchter bekommen haben. Andre Großfeld, Frank Buchholz und natürlich Hubertus Schultz wissen genau, wie gut diese Krebse schmecken und fahren gern in dieses verwunschene Tal zu Björn Kral, der uns zum Abschied noch einen hinreißenden Holunderblütensektbrand serviert. Den lässt er in Ockstadt aus eigenem Material brennen – hinreißend, doch leider nur für den Privatgebrauch bestimmt. Die Saison für Krebse ist kurz und währt nur etwa drei bis vier Monate im Spätsommer. Dann wechseln die verbliebenen Tiere in den Teich und graben sich ihre Höhle, um dort zu überwintern.


Nach Sternen und Punkten wie seine Kollegen greift Hubertus Schultz übrigens nicht, obwohl seine Kochkunst dies problemlos zulassen würde. Die hiermit verbundene, nach Spitzenleistungen und Sensationen dürstende Klientel passt jedoch so gar nicht zu seiner Idee von preiswerter, moderner und dennoch traditioneller Küche im fast schon privaten Rahmen. „Wir sind gehoben, aber nicht abgehoben und wollen nicht das Unmögliche möglich, sondern das Einfache besonders gut machen“ – unter diesem Motto arbeitet es sich gut in den stilvoll eingerichteten Räumen des Schlosses mit gleich zwei Sälen, in denen man auch größere Feierlichkeiten angemessen begehen kann. Ob man mit so viel Einsatz auch den Punkt erreicht, an dem sich die Rechnung wieder lohnt? Es scheint, als hätte Schultz seinen Frieden mit der Welt der Gastronomie gemacht und der Schalk blinkt aus seinen Augen, wenn er über die Gewohnheiten in der Systemgastronomie spricht. Für ihn geht die Kalkulation auf, denn er war beinahe überall und ist nun wieder in der Heimat angekommen. In Gedern steht heute einer jener Köche am Herd, nach denen man sich nach der Lektüre eines historischen Romans oder einem guten Film mit vier Musketieren, fiesen Bösewichtern und guten Königen zurücksehnt – wie schön, dass es solche Küchenmeister wie einen Schultz noch gibt!


Schlosshotel Gedern, Schlossberg 5, 63688 Gedern, Tel. 06045-96150, www.schlosshotel-gedern.de


Edelkrebszucht Björn Kral, Läunsbachtal 1, 63679 Schotten, Tel. 06044-950000

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15. Oktober 2012
Bastian Fiebig
 
 
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