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Foto: Johanna Wendel
Foto: Johanna Wendel

Vegane Messe in Wiesbaden

Veggieworld: Zwischen Innovation und Esoterik

Die Veggieworld geht mit der Zeit, dennoch wird die älteste Messe für den veganen Lebensstil einige Altlasten nicht los. Die dazugehörige Paracelsus-Messe schubst Veganer zusätzlich wieder in eine Nische. Interessante Foodtrends gab es dennoch.
Als die Veggieworld 2011 in Wiesbaden startete, galt sie vermutlich noch als Nischenmesse für Tierrechtler und Hippies. Durch die Übernahme des Messeveranstalters Wellfairs im Jahr 2014 ist sie über die letzten Jahre zu einer europaweiten Fachmesse mit 18 Standorten geworden. Menschen, die sich für eine vegane Ernährung entscheiden, sind keine Seltenheiten mehr und die damaligen Querdenker könnte man wohl heute als Early Adopter bezeichnen. Vergangenes Wochenende kehrte die Veggieworld an ihren einstigen Geburtsort Wiesbaden zurück, diesmal im Rhein Main Congress Center. Vom 8. bis zum 10. Februar konnten Besucher an 120 Ständen unter anderem Cashew-Käse, veganen Lachs aus Algen, Hanf-Kakao und vegane Nahrungsergänzungsmittel testen.

Hanf, Sprossen und Raclettekäse in der Pelle

Neben etablierten Ausstellern wie Reformhaus oder Sea Shepherd hatten auch Start-Ups ihren Platz, um vegane Neuheiten vorzustellen. In diesem Jahr gab es gleich mehrere Anbieter von Zubehör für den Microgreen- oder Sprossenanbau. Diesem Superfood wird nachgesagt, dass es viele wichtige Nährstoffe enthalte und zudem sehr leicht anzupflanzen sei. Ein weiterer Trend, der sich abzeichnet, ist die Verwendung von Hanf in allen Varianten. Chill Choc, ein Start-up aus Stuttgart, bietet beispielsweise fairgehandelten Bio-Kakao mit Hanf an, während einige andere Verkaufsstände Cannabis-Öle anpreisen, die mit unterschiedlichen Cannabinoiden bei unterschiedlichen Beschwerden helfen sollen. Nur das bewusstseinsveränderte Cannabinoid THC ist weiterhin außen vor.

Ein großes Ding auf der Veggieworld waren und sind nach wie vor Fleisch- und Käse-Ersatzprodukte. „Raclettekäse? Schon probiert?“, lächelnd hält der freundliche Verkäufer eines Schweizer Käsestands den Besuchern Zahnstocher mit dem Imitat hin, das er zuvor aus einer Plastik-Wurstpelle in die Pfanne gedrückt und kurz angebraten hat. Weichkäse aus fermentierten Cashew-Nüssen lässt sich vom polnischen Hersteller Serotonina in 13 verschiedenen Varianten testen, während ein Mann, der eher nach Bankwesen aussieht, sehr rauchig schmeckende Lachshäppchen kleinschneidet. Im Bereich der Ersatzprodukte sind die Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft, das merkt man auf der Veggieworld. Innovationen haben hier eine Bühne, die das passende Publikum anzieht.

Der vegane Lebensstil hat auch über die letzten Jahre seinen Ruf als unvollständige und mangelhafte Ernährungsmethode immer mehr ablegen können. Wer sich ausgewogen ernährt, sollte mit Nährstoffmängeln keine Probleme haben. Eine Tatsache, die auch dadurch unterstrichen wird, dass mittlerweile sogar viele Leistungssportler vegan leben. Für das Fitness-Publikum existiert deshalb dieses Jahr erstmals die „Vegan Athletes Area“ auf der Veggieworld, die sich unter anderem mit Nährungsergänzungsmitteln in Form von Tabletten und Fitnessriegeln beschäftigt.

Trotz vielen Neuheiten bleibt ein esoterischer Beigeschmack

Die Veggieworld liefert innovative Neuheiten im Bereich Ernährung, die in diesen Zeiten durchaus den Markt beeinflussen; und somit auch ein Image, das in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Aber auch Altlasten trägt die Messe weiter mit sich. Neben den bereits etablierten Anbietern von veganen Produkten und zum Teil vielversprechenden Start-ups, wird auch esoterisch angehauchten Unternehmen und denen mit fragwürdigen Produkten weiterhin eine Bühne geboten. Ein Nebeneffekt, den man über die Jahre, in denen sich der vegane Lebensstil im Mainstream etablierte, hätte abschütteln können. Dass die Thematik an sich nach wie vor ein paar merkwürdige Gestalten mit sich bringt, ist dabei nicht unbedingt eine Überraschung, bedenkt man, welches Image der Veganismus noch vor einigen Jahren hatte. Es ist auch irgendwie schön, dass Fitness-Fanatiker und Gesundheitsmuttis die Veggieworld nicht komplett übernommen haben, sondern auch Veganer der ersten Stunde und Naturfreaks nach wie vor mit dabei sind. Menschen, die vegan leben, weil es für sie eine Herzensangelegenheit ist.

Fraglich wird das Ganze allerdings, wenn Wasserfilter, die quellfrisches Trinkwasser versprechen, für horrende Preise angeboten werden, oder Verkäufer anhand der Lieblingsfarbe herauszufinden versuchen, an welchen Nährstoffen es den Besuchern mangelt. Man möchte diesen Ausstellern keine bösen Absichten unterstellen, gut möglich, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen handeln, mit wissenschaftlich bewiesenen Sachverhalten hat das Ganze aber wenig zu tun.

Gemeinsam mit der Veggieworld findet in einer separaten Halle außerdem die Paracelsus Messe statt, die größte und älteste Gesundheitsmesse Deutschlands. Diese hat aber nur bedingt etwas mit Gesundheit zu tun. Neben Anbietern von Klangtherapie, Meditation und Naturkosmetika, schummeln sich Heilsteine, weitere Wasserfilter und überteuerte Schutzmittel gegen Elektrosmog.

Die Veggieworld soll ihren Weltretter-Charakter behalten, auf Tierleid hinweisen und auch gerne das ein oder andere Universalmittelchen anbieten. Aber die Zeiten, in denen Naturfreunde und Esoteriker in einen Topf gehören sind vorbei und beide sollten vielleicht getrennte Wege gehen. Abergläubischen Besuchern wird mit Heilsteinen und sonstigen vermeintlichen Wundermitteln das Geld aus der Tasche gezogen. So wird eine eigentlich zukunftsgewandte und nachhaltige Thematik einem Teil ihrer Glaubwürdigkeit beraubt und somit zu einem gefunden Fressen für Kritiker.
 
13. Februar 2019, 10.22 Uhr
Johanna Wendel
 
 
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