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Foto: lizza.de
Foto: lizza.de

Vom Bänker zum Bäcker

Der Pizzateig aus dem Internet

Vor einem Jahr haben Matthias Kramer und Marc Schlegel ihre erste „Lizza“ verkauft, eine vegane und glutenfreie Low-carb-Pizza. In nur 12 Monaten ist aus der Street Food-Idee ein Unternehmen mit sieben Mitarbeitern gewachsen.
Dass sie mal gemeinsam Pizzateig verkaufen würden, hätten Matthias Kramer und Marc Schlegl anfangs wohl kaum geahnt. Ein gemeinsames Praktikum bei der Deutschen Bank brachte den Informatiker und den Betriebswirt zusammen. „Wir haben sofort gemerkt, dass wir gut zusammen arbeiten können“, erklärt Schlegl. Doch ihre erste gemeinsame Geschäftsidee, eine Dating-App, hatte noch wenig mit Pizza zu tun. Dazu brauchte es erst einen Abend mit Freunden, die eigentlich ihr Feedback zur App geben sollten. „Wir wollten mit denen über die App reden, aber die waren alle nur total begeistert von der Leinsamen-Pizza, die es dazu gab.“ Damit sollten sie es versuchen, rieten die Freunde. Erst winkten die beiden lächelnd ab, doch schon am nächsten Morgen begann das Umdenken und aus der Rezeptidee Leinsamen-Pizza wurde das Produkt „Lizza“.

Am 18. April 2015 wagten sie den ersten Versuch und verkauften ihre Lizza beim Sachsenhäuser Markt im Hof. Nach wenigen Stunden waren sie bereits völlig ausverkauft. Kurz darauf kauften sie sich einen Food-Truck. „Wir haben dann aber bald gemerkt, dass unser Produkt eigentlich der Teig ist“, berichtet Schlegel. Also haben die beiden den Truck nach einer erfolgreichen Saison wieder verkauft und für das Geld Teigmaschinen gekauft. In den Räumen der alten Bäckerei Heidinger in Niederrad entsteht nun ihre kleine Teigfabrik. Seit acht Wochen ist der Onlineshop freigeschaltet. In den ersten Tagen standen Kramer und Schlegel noch alleine an ihrer Maschine, doch damit waren sie schnell überfordert. „Die Leute haben uns die Bude eingerannt und wir sind in der kurzen Zeit enorm stark gewachsen.“ Nach nur zwei Monaten arbeiten jetzt vier Festangestellte und drei Minijobber an den Teigplatten. Rund 2000 Stück werden am Tag produziert und auch verschickt.

Was den fitnessbewussten Jungunternehmern anfangs gar nicht bewusst war: Ihr Superfood-Teig ermöglicht es, tausenden Menschen wieder Pizza zu essen, die seit Jahren darauf verzichten mussten. Ganz zufällig ist die vegane Low-carb-Lizza nämlich auch glutenfrei. Knapp ein Prozent der deutschen Bevölkerung leidet unter einer Weizenunverträglichkeit. „Wir bekommen regelmäßig ganz aufgelöste Rückmeldungen von Menschen, die uns begeistert danken“, berichtet Schlegel. „Dieser direkte Kontakt zu den Kunden ist es, was uns an diesem Job so gut gefällt. Das ist viel besser als Excel-Tabellen bei der Bank zu schreiben.“ Weil für einen Menschen mit der Krankheit Zöliakie schon wenige Gramm Mehl gefährlich für den Darm werden können, haben sie extra eine Schutzwand in ihrer Produktion eingebaut, damit beim Beliefern der benachbarten Bäckerei keine Getreidereste zur Lizza rüberwehen. Der Aufwand lohnt sich: Dank Mund-zu-Mund-Propaganda in den gut vernetzten Glutenfrei-Communities können Kramer und Schlegel sich teure Werbekampagnen sparen.

Eine wichtige Zutat der Lizza sind Chia-Samen. Diese wurden in den letzten Monaten zuerst als Super-Food hochgejubelt. Doch dann folgte ein Ökotest-Bericht, der bei fast allen Händlern von Aldi bis zu Alnatura gefährliche Schadstoffe in den Samen nachwies. Dieser Skandal betreffe ihr Unternehmen nicht, berichten die beiden Geschäftspartner erleichtert. Sie haben ihre Chargen direkt nach der Veröffentlichung durch ein externes Labor überprüfen lassen. „Das hätte uns durchaus erwischen können“, bekennt Mattias Kramer: „Da wurden ja Stoffe wie Blei gefunden. Ich muss gestehen, dass sind Dinge, nach denen ich bei den Verhandlungen mit den Lieferanten nicht explizit gefragt hatte. Mit so was rechnet man ja nicht.“

Die katastrophalen Testergebnisse seien jedoch kein Problem von Superfoods, ist Kramer überzeugt. „Ob man jetzt Weizen oder Chia zu Hungerlöhnen produzieren lässt, das Ergebnis wird immer schlecht sein. Unser Zulieferer ist recht teuer, dafür bekommen wir saubere Analysen. Wir könnten Chia auch 30 Prozent günstiger kaufen.“ Jeder Kauf sei ein politisches Statement, betont Marc Schlegel, das sei nur vielen Konsumenten immer noch nicht klar. „Das ist ein hässlicher Kreislauf. Die, die über den Ökotest-Bericht laut schimpfen, sind doch oft dieselben, die abends im Supermarkt darüber meckern, dass die Chia-Samen so teuer sind.“

Korrektur: In einer früheren Version dieses Textes stand, Ökotest habe in manchen Chia-Chargen auch Uran gefunden. Hierbei handelte es sich um ein Missverständnis, das stimmt so nicht.
 
2. Mai 2016, 12.00 Uhr
jps
 
 
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