Newsletter
|
ePaper
|
Apps
|
Abo
|
Shop
|
Jobs

Private Dinner

Zuhause bei Fremden

Annette Allweil hat ein ganz besonderes Hobby: Sie kocht. Und zwar für Unbekannte. Die Marketingexpertin und Köchin aus Leidenschaft lädt zum kennen lernen, lachen und speisen in ihr Wohnzimmer im Frankfurter Nordosten.
Das sogenannte „Apfel-Carré“ im Neubaugebiet Preungesheims ist so jungfräulich, dass es bisher wenige Frankfurter betreten haben. Entsprechend zeigt sich Orientierungslosigkeit auf den Gesichtern – daran sind die Teilnehmer des Private Dinners auf den ersten Blick erkennbar. Alle haben per Mail die Adresse erhalten, wissen aber nicht, wer die Gastgeberin ist oder wie sie aussieht. Neugierig stellen sich die Erstankömmlinge einander vor und treten gemeinsam in die Wohnung von Annette Allweil ein. Alles ist ordentlich angerichtet, der Tisch im Wohnzimmer bereits gedeckt und Allweils heiterem Gemüt entsprechend zieren die Tafel in der Küche sommerliche Begriffe wie „Strandkorb“ und „Sonnenschein“. Besonders bewundert wird der Balkon, der Ausblick auf die entfernte Skyline bietet.
Die Teilnehmer sind nicht nur Neu-Frankfurter. Viele leben schon seit Jahren hier. Gregor, Inhaber einer Marketingagentur in Fulda, stellt sich als der Quotenmann heraus, die fünf anderen Gäste sind Damen. Zwei weitere Frauen, die zugesagt haben, erscheinen nicht. Auf Allweils zwanzig Quadratmeter großem Balkon werden Sekt und Appetithäppchen gereicht. Die Gastgeberin serviert Erbsenpüree auf Brot, Bruschetta und italienischen Schinken und Salami. Dazu lernen sich die Teilnehmer bei lockerem Small Talk kennen. Sabine berichtet, dass sie sich im Süden Sachsenhausens vor einigen Jahren eine Wohnung gekauft hat, um dem Stadtlärm zu entfliehen. „Inzwischen laufe ich mit Ohropax in meiner Wohnung rum“, schildert sie. Das Getöse der Flieger sei zu laut.
Der Trend des Speisens in privaten Räumlichkeiten ist aus den USA nach Europa gekommen, aber sein Ursprung liegt woanders: auf Kuba. Dort wird auch heute noch in sogenannten „Paladares“ gegessen. Paladares sind nicht viel mehr als Wohnzimmer, die halböffentlich gemacht werden. Gekocht wird in der privaten Küche der Wohnungsmieter. Damit bessern sich die Kubaner ihre Finanzen auf. Diese Art der Restaurants hat eine lange Tradition auf Kuba, offiziell akzeptiert und legalisiert wurden sie aber erst im Jahre 1993.
In Preungesheim derweil wird anderthalb Stunden nach dem offiziellen Beginn zu Tisch gebeten, es gibt Tomatensalat mit Mozzarella und Himbeeren. In den Gesprächen stellt sich heraus, dass vier der sechs erschienenen Teilnehmer mehr oder weniger direkt im Bankensektor arbeiten. Ein Frankfurter Klischee? Die Gastgeberin sitzt nicht am Esstisch, sondern bereitet den Hauptgang in der offenen Küche zu und kann sich deswegen nur spärlich an den Gesprächen beteiligen. Außerdem schenkt sie Wein zu drei Euro das Glas aus überdimensionalen Flaschen nach.
Der Antrieb von Annette Allweil ist anders als auf Kuba kein ökonomischer. Mit einem Beitrag von dreißig Euro werden nicht viel mehr als die Unkosten gedeckt. „Ich mag einfach Menschen“, so lautet der simple, aber ehrliche Grund. Die Köchin aus Leidenschaft betrieb erst einen Foodblog, bevor sie die Idee hatte, selbst zum Essen einzuladen. Über Foren in Xing und ihrem Blog fanden die Leute Allweils Angebot. In Frankfurt ist sie damit eine Pionierin. In anderen Städten im deutschsprachigen Raum gibt es vergleichbare Projekte bereits. Berlin gehört dabei mal wieder zu den Vorreitern. Andere bieten Private Dinners schon nicht mehr im eigentlichen Sinne an, sondern haben ihre Wohnzimmer ähnlich wie auf Kuba in Restaurants verwandelt. Auch TV-Koch Mirko Reeh eröffnete kürzlich in der Bornheimer Wiesenstraße seinen „Private Food Club“.
„In glaube, in meinem Heimatort würde man dafür erschossen werden“, merkt Margret an. Misstrauen gegenüber Fremden ist dort noch gang und gäbe. Der Unternehmensberaterin gefallen das multikulturelle Ambiente und die Offenheit, die hier für neuartige Ideen herrscht. Inzwischen ist der Hauptgang aufgetischt: Pasta-Trilogie aus Ravioli mit Bärlauch gefüllt, Fettucine in Sahnesauce und hausgemachter Lasagne. Dominierende Themen der Unterhaltung sind mittlerweile Religion und kulturelle Unterschiede verschiedener Nationen.
Gegen Mitternacht löst sich die Versammlung auf. Ob sich daraus wirklich Freundschaften entwickeln, bleibt offen. Der Gastgeberin hat der Abend sehr gefallen, wie sie betont. Auch alle Teilnehmer bedanken sich artig. Man plant vage, sich zum gemeinsamen Kochen zu treffen und via Internet in Kontakt zu bleiben.
Anette Allweil kocht übrigens nicht nur bei sich zu Hause, sondern kommt auch gerne in ihre heimischen Gefilde.

Die aktuellen Termine für das nächste Private Dinner sind auf der Webseite verzeichnet.
 
6. Januar 2014, 14.00 Uhr
Isabella Caldart
 
 
Fotogalerie:
{#TEMPLATE_news_einzel_GALERIE_WHILE#}
 
 
 
 
Top-News per Mail