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Akzeptanz und Apfelwein

„Fraa Rauscher, mer schäme uns so sehrl!“

Viele Frankfurter würden lieber nackt ins Büro kommen, als dass sie sich abends auf Kneipentour nach Alt-Sachsenhausen begeben. Doch warum schämen wir uns so für das, was alle anderen an uns lieben?
Es gibt Dinge, die lernt man als Frankfurter noch vor dem Fahrradfahren, dem ABC und dem kleinen Ein-Mal-Eins. Eltern, Freunde und große Geschwister bringen sie uns bei, weil sie wissen, dass sie eines Tages über unsere Zukunft entscheiden werden:

1. Fahre niemals samstagnachmittags mit dem Auto in die City!

2. Wenn dich jemand in der U-Bahn, auf der Straße oder in einer Bar dumm von der Seite anquatscht, antworte ihm nicht!

3. Lege dich niemals mit Türstehern, Junkies und den Mitgliedern einer Motorrad-Gang an!

4. Schlage niemals vor Mitternacht in einem Club auf!

Und das aller Wichtigste:

5. Gehe nie-nie-niemals nach Alt-Sachsenhausen, wenn es vor drei Uhr nachts ist und du dich unterhalb der Zwei-Promille-Grenze befindest!

Warum letzere Regel so besonders wichtig ist? Nun, während die anderen allein für unser körperliches und seelisches Wohl relevant sind, entscheidet letztere obendrein über den guten Ruf als Großstädter! Denn wer wäre schon bereit, für mittelmäßiges bis schlechtes Essen, eine unfreundliche Bedienung und die enervierenden Avancen von volltrunkenen Bräutigamen auch noch Geld zu zahlen?

Es ist bekannt, dass „Altsachs“ den Touristen und Junggesellenabschieden vorbehalten ist, ein Disneyland des Apfelweins für besoffene Fußballfans und Teenager von außerhalb, die mal was erleben wollen. Ein Frankfurter hat hier nichts verloren, außer vielleicht seinen guten Namen!

Doch während es in der Schulzeit noch ein Leichtes war, sich an jene simplen Konvention zu halten, so wurde es spätestens nach dem Schulabschluss schwerer. Denn plötzlich beschränkte sich der eigene Freundeskreis nicht mehr auf die urbanen Sandkastenbekanntschaften von einst, die jene Regeln mit der Muttermilch aufgesogen hatten. Stattdessen fand man neue Freunde in den Kommilitonen und Arbeitskollegen aus Alzenau, Rodenbach, Büdesheim und Steinau – und musste sich von seinen teilweise radikalen Ansichten zum Thema Apfelweinkneipen verabschieden, wenn man sie behalten wollte!

Was folgte, waren verschämte Abende. Man saß unter Bierbänken und hinter Zehn-Liter-Bembeln versteckt und schickte Stoßgebete zum Himmel, es möge niemand vorbeikommen, der einen erkannte! Aber spätestens nach Mitternacht musste man sich doch eingestehen, dass man gerade dabei war, im verpöntesten Viertel der Stadt mächtig viel Spaß zu haben! Erwischt werden war trotzdem peinlich!

Hand aufs Herz: Warum schämen wir Frankfurter uns eigentlich immerzu für das, was unsere Stadt für Zugezogene und Touristen so attraktiv macht?
Gehört denn eine Partymeile mit Kopfsteinpflaster, uralten Kneipen und selig singenden Brautleuten im rosa Tutu nicht in jede Großstadt, die etwas auf sich hält? Sei es nun die Reeperbahn, die Düsseldorfer Altstadt oder die Simon-Dach-Straße in Berlin, jede Stadt hat ihr Kreuz mit den lieben Party-Touristen zu tragen, die die Kassen der Wirte mit Geld und die Straßen mit Auswürfen füllen.

Dass man da als Einheimischer nicht immer mitmachen muss, ist klar. Dass man ab und an nur müde lächeln kann, wenn die Schnapsdrosseln vorübertorkeln, auch. Aber Mal ehrlich: Trifft man in den Nachtclubs und Cocktailbars der City nicht oftmals genau die gleiche Art volltrunkener Idioten? Mit dem einzigen Unterschied, dass diese meist etwas besser angezogen sind und monatlich eine bis zwei Tausender mehr in der Tasche haben? Macht sie das interessanter, witziger oder sympathischer? Wohl eher nicht!

Aber was kann man tun, um sich an einem Freitagabend in Frankfurt so richtig zu amüsieren? Am besten, man geht einfach mit denen weg, die man wirklich gern hat – egal wohin! Und im Notfall kannst du immer noch auf Großstadt-Regel Nummer ein zurückgreifen: Lass dich nicht dumm von der Seite anquatschen!
 
19. September 2011, 12.00 Uhr
Rosa Friedrich
 
 
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