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Foto: © Till Taubmann
Foto: © Till Taubmann

Die Neueröffnung der Woche

Sinn&Wandel: Barrierefrei wohlfühlen

Ohne zu reden, einen Kaffee bestellen und dabei eine neue Sprache lernen? Betreiber Sascha Nuhn, selbst gehörlos, hat mit dem Sinn&Wandel im Nordend das Konzept Inklusionsbetrieb einmal auf den Kopf gestellt und damit ein deutschlandweit einzigartiges Café eröffnet.
Einen Steinwurf vom Friedberger Platz entfernt hat auf der Bornheimer Landstraße das Sinn&Wandel eröffnet. Mit seiner modernen, edel-schlichten Einrichtung, den stylischen Lampen, der großen Fensterfront und der imposanten Siebträgermaschine wirkt das Sinn&Wandel auf den ersten Matcha Latte to go wie eines von vielen szenigen Cafés im Frankfurter Nordend. Dass es sich um einen Inklusionsbetrieb handelt, wie man ihn in Deutschland bislang kein zweites Mal findet, merkt man erst später.

„Die ursprüngliche Idee des Sinn&Wandel war, Menschen mit Hörbehinderung einen Raum zu geben“, erklärt der Betreiber Sascha Nuhn in Gebärdensprache. Ein Dolmetscher übersetzt unser Gespräch. Nuhn ist gehörlos und Vorsitzender beim hessischen Verband für Gehörlose und hörbehinderte Menschen e.V. Gewöhnlich seien Inklusionsbetriebe wenig zentral gelegen, spartanisch eingerichtet und auf Funktionalität fokussiert, so Nuhn. Das wollte er mit dem Sinn&Wandel anders machen: „Man kommt rein und denkt sich einfach: Ach, was ein schönes Café! Es wird keine unsichtbare Mauer errichtet.“

Ein Vorbild in Sachen Barrierefreiheit

Gesellschaftliche Mauern einzureißen, ist das Ziel, doch zuvor musste zwei Jahren umgebaut werden. Gefördert vom Landeswohlfahrtsverband Hessen und Aktion Mensch wurde beim Umbau auf nur vordergründig unwesentliche Details geachtet. So gibt es etwa Lichtleisten mit Spots, die jeden Tisch einzeln beleuchten können. Was nach verspieltem Lichtdesign klingt, hat handfeste Gründe. Es gehe darum, Menschen mit Hörschädigung am späten Abend die Kommunikation zu erleichtern. Auch an anderen Stellen, greifen Design und Funktionalität im Sinn&Wandel ineinander. Das gilt auch für die Sanitäranlagen, die schick gestaltet erst auf einen zweiten Blick ihre Barrierefreiheit erkennen lassen.

Ähnlich unauffällig, aber umso wichtiger ist der Hublift für Menschen mit Rollstuhl neben der Eingangstür. Doch nicht nur an die Gäste wird gedacht. Der gesamte Theken- und Küchenbereich ist so konzipiert, dass Menschen mit Behinderungen hier uneingeschränkt arbeiten können. Die Kaffeemaschine ist so umgebaut, dass sie mittels zweier Fußpedale auch von Menschen mit halbseitiger Lähmung bedient werden können. Deutschlandweit ist das Sinn&Wandel das einzige Café, das Menschen mit Hörbehinderung solche Möglichkeiten bietet – sowohl als Gast als auch als Mitarbeitende.

Gebärdensprache und eine Speisekarte mit Sozialaspekt

Eine echte Besonderheit sind die QR-Codes auf den Speisekarten. Sie führen zu diversen Anleitungsvideos, die zeigen, wie man per Gebärdensprache bestellen kann. Wer sich also im Ordern von Cappuccino, Espresso und Co in einer neuen Fremdsprache versuchen will, hat hier die Möglichkeit dazu.




Sascha Nuhn möchte auch mit dem Getränkeangebot ein Zeichen setzen. © Till Taubmann

Der Fokus auf soziale Aspekte spielt auch in puncto Lieferanten eine Rolle. „Jeder Cent, den wir beim Händler ausgeben, kommt etwas Sinnvollem zugute“, betont Nuhn. So werden die Kaffeebohnen von einer Kaffeerösterei aus Fulda bezogen, die in Mexiko Schulen baut. Der verwendete Gin stammt von einer Firma, die einen Teil ihrer Umsätze an eine Elefanten-Farm spendet. Der Zitronen-Kräuter-Likör für den „Wildberry Le Gillard“ kommt wiederum von einer Firma, die von drei Gehörlosen geleitet wird. Beim „Buntes“-Bier der Frankfurter Brauunion wird ein weiterer Aspekt sichtbar, der für Nuhn und sein Team wichtig ist: Regionalität. „Buntes“ ist aber nicht nur regional. Alle Gewinne des Bieres mit dem schillernden Regebogen-Aufdruck werden an gemeinnützige Organisationen gespendet, die sich bundeweit gegen Diskriminierung einsetzen.

Café Sinn&Wandel, Nordend-Ost, Bornheimer Landstraße 48, Mo-So 12-20 Uhr
 
21. April 2023, 10.30 Uhr
Till Taubmann
 
Till Christian Taubmann
Jahrgang 1997, Studium in Kommunikationsdesign an der Hochschule Mainz, Arbeit als freier Illustrator, seit Januar 2023 beim JOURNAL FRANKFURT. – Mehr von Till Christian Taubmann >>
 
 
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