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Wein

Ein Initiationserlebnis

Als ich zur Eröffnung eines neuen Weingeschäfts im Grüneburgweg eingeladen werde, bin ich skeptisch: Wie passe ich mit meinen jungen 22 Jahren zu den Frankfurter Weinkennern, die am liebsten glasschwenkend über den Aprikosen-Abgang und den kümmeligen Beigeschmack philosophieren? Vorwiegend natürlich im Tweet-Sakko mit braunen Aufnähern, Gleitsichtbrille und hoch erhobener Nase!
Ich mache mich auf den Weg, um den Geheimnissen des Deutschen Weins auf die Spur zu kommen– skeptisch, aber neugierig. Gleich vor der Tür bemerke ich: Irgendwas ist anders. Statt eingestaubtem Eiche-Rustikal betrete ich einen – anders kann man es nicht sagen – stylischen Laden. Der Look ist modern, unaufdringlich und lädt ohne große Ablenkung zum genaueren Betrachten der Sortiments ein. Das Ganze entspricht so gar nicht meiner Vorstellung von einem Weinladen. Und auch die Besitzer, die mich lächelnd begrüßen, tragen weder Tweet-Sakko noch Gleitsichtbrille! Sie sind auch überhaupt nicht steinalt und voller pseudo-elitärer Zurückhaltung, sondern wirken mehr wie ich kurz vor dem Geschenke auspacken – aufgeregt und freudig.

Unter den anwesenden Weinkennern herrscht eine familiäre Atmosphäre, von der ich versuche, mich nicht täuschen zu lassen. Diese Weinsnobs können doch wohl nicht nett sein!? Die zehn Jahre Lebens- und Weinerfahrung, die mich von den jüngsten Gästen trennen, geben mir das Gefühl, kritisch beäugt zu werden, denn etwas anderes als „Was will die denn hier?“, können die ja nicht von mir denken! Glücklicherweise und zu meiner Überraschung werde ich sofort in die Gesellschaft aufgenommen. In der Pfalz, aus der die hier angebotenen Weine stammen, ist man offen und freundlich, das lerne ich, während ich mit Häppchen versorgt werde. Statt Garnelen in Blätterteig wird selbst gebackenes Brot mit grober Leberwurst aus der pfälzischen Landmetzgerei mit einem Klecks Aprikosen-Senf serviert. „Lecker!“, denke ich, behalte aber meine vornehme Contenance – immerhin befinde ich mich in Wein-Gesellschaft!

Als es an die Verkostung geht, macht sich unweigerlich ein flaues Gefühl in meinem Magen breit, denn die Zeit für eine Entscheidung ist gekommen: Oute ich mich als stümperhafter „Mag ich, weil schmeckt gut“-Genießer? Oder sollte ich einfach mal ein wenig höher stapeln: „Mh- ich schmecke da Nuss, wahrscheinlich Pekanuss …war aber wohl sehr kalt letztes Jahr, oder!?“ Ich entscheide mich für den Stümper, darauf hoffend, dass man mein Outing unter liebenswürdig abstempelt, und sage dem Jungwinzer gegenüber – wenn, dann richtig! –, dass ich Aussagen über den apfeligen Abgang für Humbug halte. Wein wird nun mal aus Trauben gemacht. Dass die je nach Sorte anders schmecken, kann ich mir vorstellen, aber dass man den Nordhang im Mund erkennt, scheint mir Mumpitz zu sein.

Zugegebenermaßen kneife ich die Augen schon ein bisschen zusammen, während ich auf die Reaktion warte, und bin umso überraschter, als der 27-Jährige freundlich lacht und nicht einfach geht. „Warten Sie mal kurz!“, meint er nur schnell und zaubert einen seiner Weißweine hervor. Er kippt ein wenig davon ins Glas, schwenkt es ein paar Mal (wahrscheinlich hätte ich bei diesem Versuch bereits die Hälfte des Weins im Laden verteilt) und reicht es mir. „Riechen Sie mal“, ordnet er an. Und tatsächlich! Statt des eher beißenden Geruchs eines Discounter-Weines habe ich hier einen ganz feinen Tropfen in die Hände bekommen. Der Wein riecht wie eine Sommerwiese! Natürlich sage ich das nicht – wo kämen wir denn da hin, wenn ich zugebe, dass die Snobs von Weinkennern tatsächlich Recht haben!?
Als ich allerdings probiere, stockt mein Atem: Was ich da trinke, schmeckt wie eine grüne Paprika! Das ist kein einfacher Wein, sondern ein Wein, über den man reden MUSS! Den kann ich doch nicht einfach nur trinken ... Mein Interesse ist geweckt und die Fragen sprudeln aus mir heraus: Wie macht man das? Schmecke ich da gerade eine bestimmte Lage? Kann ich auf meine so jungen Tage schon zum Weinkenner werden? Ich will mehr von dem köstlichen Getränk und traue mich gar nicht zu fragen, was so eine Flasche kostet. Auch der Riesling Sekt, der mir eingeschenkt wird, ist so fruchtig, dass ich am liebsten eine Kiste davon in meinem Kühlschrank unterbringen möchte. Der Winzer lacht und erzählte mir dieses und jenes über den Weinbau; mein Respekt wächst immer weiter. Mir wird erklärt, dass nicht nur die Trauben wichtig für den Geschmack sind, sondern auch die kleinste Schraube im Fass bei der Herstellung in falscher Position gravierende Auswirkungen haben kann. Und hormongesteuert sind die kleinen Früchtchen auch noch! Angeblich schütten sie bei unangenehmen Witterungsverhältnissen Stresshormone aus, die den Geschmack verderben – die sind wie ich!

Über viel Sonne freue ich mich auch mehr als über diesen wechselhaften Sommer, da leidet meine Umwelt genau wie Weingourmets unter fremden Stresshormonen! Ein bisschen komplizierter ist es wahrscheinlich, aber plötzlich ist mir die Önologie so nah, dass ich wünschte, selbst im Feld zu stehen und Trauben zu pflücken. Oder – noch lieber – im Fass zu stehen und Saft zu stampfen. Mich kann jetzt jedenfalls niemand mehr vor Weingesellschaften abschrecken. Und Wein-Gourmets sind tatsächlich gar keine Snobs.

Der Laden heißt übrigens WESTLAGE und ist im Grüneburgweg 92 zu finden. Geöffnet hat er montags bis freitags von 10 bis 20 Uhr und samstags von 9 bis 15 Uhr. Die grüne Paprika und viele weitere Köstlichkeiten stellen Kai Nippgen und Familie im Weingut Sonnenberg (www.nippgen.net) in der Pfalz her.
 
15. August 2011, 12.05 Uhr
Leona Hinz
 
 
Fotogalerie:
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