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Neue Restaurants

Die üben noch

Man hört es immer öfter: "Wir haben erst seit ein paar Tagen geöffnet, da läuft leider noch nicht alles rund". Schade eigentlich – in anderen Branchen kann man sich diesen Luxus nicht leisten.
Sie kennen das bestimmt auch: Man bestellt zum Beispiel beim neuen Edelitaliener eine nicht gerade günstige Hauptspeise, das gelieferte Ergebnis ist alles andere als befriedigend, der Ober zuckt mit den Schultern und rechtfertigt sich mit der Tatsache, dass man in neu eröfneten Restaurants halt damit rechnen müsse, dass noch nicht alles perfekt ist.

Geht es allerdings um den Preis, bewegt man sich selbstverständlich schon ab Minute 1 auf professionellem Terrain und gibt zur Besänftigung der Gäste höchstens mal einen Schnaps aufs Haus aus. Solches Gebaren ist durchaus auch aus der Computerbranche vertraut, wobei hier immerhin mit kostenlosen Updates zu rechnen ist. Musiker beispielsweise können sich so etwas hingegen überhaupt nicht leisten.

Stellen Sie sich ein Konzert vor, nach dem der Sänger gesteht, dass die Tour halt erst am Anfang ist und seine Stimme da noch nicht so geölt klingt. Peinlich. Und dennoch können Besucher auch beispielsweise bei Proben für eine Oper live dabei sein. Allerdings zu entsprechenden Preisen. Ebenso im Theater, denn auch hier zählt der Augenblick der Darbietung und entscheidet über Wohl und Wehe der Künstler. Da sind Haupt- und Generalprobe mit echtem Publikum sehr wichtig.

Und in der Gastronomie? Weshalb gibt es hier eigentlich keine "öffentlichen Proben"? Man könnte doch einfach mal für einen Monat alle Speisen zum Selbstkostenpreis anbieten und die Gäste im Gegenzug dazu verpflichten, ehrlich ihre Meinung zu sagen. Das ist nicht nur Vertrauensbildend, sondern auch eine sichere Investition in die Zukunft. Die Klagen der Gastronomen über hohen Mieten und Personalkosten sind zumindest in der Mainmetropole häufig begründet, doch umso wichtiger ist hundertprozentige Qualität von Anfang an. Und da braucht es eine solide Einarbeitungsphase.

Diese auf den Schultern der Gäste auszuleben und volle Preise für halbe Leistung einzufordern ist allerdings nicht nur unverschämt, sondern zudem leichtsinnig, denn nicht nur die Restauranttester des Journal Frankfurt kommen immer früh, um ihren Lesern stets die neueste Eröffnung schildern zu können. Und Restauranttester haben für Künstler, die ihr Repertoire nicht geübt haben, vielleicht noch Mitleid – aber kein Verständnis, denn Proben gehören nunmal zum Geschäft und in jeden vernünftigen Businessplan hineinkalkuliert. Wie bei anderen Künstlern auch.
 
4. Oktober 2011, 06.51 Uhr
Bastian Fiebig
 
 
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