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Zu Besuch beim Küchenchef
Hessisch Fattoria!
Foto: Dirk Ostermeier
Dirk Ostermeier
Nur einen Katzen- beziehungsweise Lammsprung von Frankfurt entfernt hat Daniel Cornelius am Herd des Restaurant Zum Heiligen Stein sein neues Zuhause gefunden.

Dass es in Lich ausgesprochen angenehm leben lässt, wusste man offenbar bereits vor etwa 3.000 Jahren, als sich ein Fürst am Nordwesthang des knapp 200 Meter hohen Wetterkopfberges zu Muschenheim in einem sogenannten Megalithgrab zur letzten Ruhe betten ließ. Der „Heilige Stein“ war denn auch vor ein paar Jahren Namenspate für das im Ortskern von Muschenheim errichtete Restaurant, doch die Geschichte dieses spannenden Projektes beginnt früher: Ein Finanzberater überlegte nach Jahrzehnten harter Arbeit, wie er sein Kapital nicht nur gut, sondern vor allem nachhaltig und freudestiftend anlegen könnte und beschließt, als Keimzelle eines Projektes zunächst eine Lammzucht ins Leben zu rufen. Die vergrößert sich bekanntlich von selbst und so steht alsbald die nächste Frage im Raum: Wohin mit all den Lämmern? Zunächst im Verkauf an die nahe Gastronomie, doch schöner wäre doch ein eigenes Lokal. Flugs wird das errichtet (ja, das schmucke Häuschen ist ein Neubau, wirkt aber, als stünde es bereits seit dem 19. Jahrhundert im Ort) und die Speisekarte entsprechend ausgerichtet.



Hühner mobil!



Jetzt ist die Leidenschaft fürs Landleben richtig geweckt: Sohn Boris entsagt der Juristerei und widmet sich voll und ganz dem Projekt auf dem Lande, das nun seine ganz eigene Dynamik entwickelt. Ein Hühnermobil wird angeschafft, das über 300 Mistkratzern ein sicheres Zuhause geben soll. Darunter muss man sich eine Art Wohnwagen vorstellen, dessen Türen solargesteuert geöffnet und wieder geschlossen werden können. Die komplette geflügelte Sippschaft kann so von einem Areal zum nächsten befördert werden – wer einmal eine von Hühnern „bewirtschaftete“ Wiese im Verlauf einer Woche beobachtet hat, versteht sofort Sinn und Zweck der Mobilität: Hühner picken und scharren einen saftigen Rasen binnen einer Woche zur Wüstenei. So kommt das Federvieh ein wenig herum und hat immer was Frisches vor dem Schnabel, doch wohin mit all den Eiern? Kein Problem, die Küche im Heiligen Stein wird schon was damit anzufangen wissen und was übrig bleibt, wird entweder zu Eierlikör verarbeitet oder an die Anwohner verkauft. Im Backhaus neben dem Restaurant beginnt man außerdem mit eigener Brotproduktion, die unterdessen wieder zurückgefahren wird, dazu später mehr.



Gartenfrische Produkte



Dem Sportsgeist der Familie scheint das immer noch nicht zu reichen, denn auf dem geräumigen Areal einer alten Mühle am Ortsrand wurde unterdessen neben zahlreichen wunderschönen Teichen – die Wetter schlängelt sich hier romantisch durch die Wiesen – ein großer Wirtschaftsgarten angelegt, der die Küche mit taufrischem Gemüse versorgt. Ein geräumiger Kaninchenstall mit reichlich Auslauf bringt neue kulinarische Inspiration, am Feldrand stehen mehrere Bienenvölker und bescheren aromatischen Honig, neu angelegte Hochbeete für Kräuter schließen auch in diesem Bereich die Versorgungslücke und was übrig bleibt, wird zu Marmelade, Chutney oder wasauchimmer verarbeitet – nur liegen bleibt garantiert nichts, denn nicht nur der Familie, sondern auch dem kreativen Küchenchef des Restaurants fällt immer etwas ein, was man mit dieser herrlichen Produktion schönes anstellen kann.



Is was, Doc?



Womit wir beim Hauptverantwortlichen für die kulinarische Transmission vom Feld auf den Teller wären: Daniel Cornelius, Küchenchef im Restaurant zum Heiligen Stein. In der Brust des gebürtigen „Kasselaners“ (Für Nichthessen: Er stammt aus Kassel) schlagen schon immer zwei Herzen. Eines für die Medizin, das zweite für die Gastronomie – beides Bereiche, in denen Menschen zu einem besseren Leben verholfen wird, allerdings mit völlig anderen Mitteln. Es ist an dieser Stelle kein Geheimnis mehr, welches Herz sich auf Dauer durchsetzen konnte, doch die Wege dorthin sind interessant. So spielte der Zivil- beziehungsweise Rettungsdienst zwar eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung, anschließend ein Medizinstudium in Lübeck anzutreten, doch die Begeisterung hielt nicht lang und das Studium wurde abgebrochen. Der ökumenische Kirchentag brachte Cornelius kurz darauf mit der Verantwortung für die Logistik bei der Verpflegung von insgesamt 200.000 Menschen nicht nur viel Arbeit, sondern ganz offensichtlich auch viel Inspiration, um sich der zweiten Leidenschaft zuzuwenden: Dem Kochen. Bereits vor dem Abitur war das Thema, doch Cornelius traute sich schlicht und ergreifend nicht, diesen Weg zu gehen – nicht erst seit heute kursieren Geschichten über Lehrlinge, die kaum übers Kartoffel- und Zwiebelschälen hinauskommen und von den Ausbildern als Hilfskräfte missbraucht werden.



Stadt und Land



Das von Kunstberater Helge Achenbach gegründete Monkeys Plaza in Düsseldorf mit seinen unterschiedlichen gastronomischen Konzepten war genau der richtige Platz, um Daniel Cornelius in allen drei Küchen die ganze Bandbreite kulinarischem Wissens von klassischer Sterneküche bis zur fernöstlichen Kochkunst zu vermitteln und so hielt es ihn hier nach seiner Ausbildung zum Koch noch weitere 18 Monate, bis es Cornelius schließlich an den Bodensee ins Restaurant Falconera zog. Leider ein Missverständnis und so ging es schnurstracks weiter an einen der wirklich einsamen Flecken Deutschlands: Die Alte Schule Fürstenhagen. Inmitten der herrlichen Natur der Feldberger Seenplatte begegnete Cornelius zum ersten Mal dem Reiz der naturnahen, regionalen Küche. Gerade mal 63 Einwohner zählte die Gemeinde, doch die Gäste kamen von weit her, um sich das ungewöhnliche Konzept auf der Zunge zergehen zu lassen. Der Anspruch: Ein Gast sollte kein Menü ein zweites Mal bestellen müssen. Das Ergebnis: 15 Punkte im Gault Millau und unzählige prägende Erfahrungen beim Kochen von Löwenzahngelee, dem Fischfang, dem Sammeln von Wildkräutern oder Flusskrebsen, aus denen täglich außergewöhnliche Menüs entstanden. Ein Schäfer mit Schafen und Ziegen war übrigens auch schon da ...



Pharmazie? Kochkunst!



Ein Traumsommer ging zu Ende und mit ihm scheinbar die Karriere des so hoffnungsvollen Jungkochs: Cornelius schrieb sich in Kiel für ein Studium der Pharmazie ein. Zum Glück für alle Genießer nur für ein einziges Semester, denn schon mit den ersten Vorlesungen verebbte die Freude am Studium so schnell, wie sie eigentlich kommen sollte. Also ging es wieder an den Herd und nach Davos, wo er auf der Schatzalp die andere, pompöse Seite des Kochens kennenlernte. Die ganz großen Wirtschaftskapitäne der Welt waren seine Gäste, eine sonderbare Welt, der Cornelius schnell die kreative Atmosphäre des Gießener Dachcafes vorzog. Hier konnte er in Ruhe ein völlig neues Konzept zwischen Club, Restaurant und Konditorei planen und in die Tat umsetzen, um anschließend in Lübeck für ein Jahr im Restaurant Miera als Küchenchef auf sich aufmerksam zu machen. Was wiederum Tom Bock, Inhaber von Biancalani und A Casa di Tomilaia in Frankfurt zu Ohren kam: Er verpflichtete Cornelius für sechs Monate im Biancalani.



Angekommen



Turbulente Zeiten, an deren vorläufigem Ende nun das Restaurant zum Heiligen Stein steht. Hier zeichnet Cornelius nun seit über zwei Jahren nicht nur für die Karte verantwortlich, sondern ist auch hautnah in die umfangreichen Projekte der Investorenfamilie eingebunden. Beispiel gefällig? Die Räumlichkeiten, in denen der Brotofen steht, sind eigentlich viel zu schön, um dort einfach nur zu backen. Also wurden flugs ein paar Bilder an die Wand gehängt, Bänke gestellt, der Außenbereich ebenfalls aufgehübscht und eine tolle Location erschaffen, in der sich sowohl Nachbarn als auch Freunde, Bekannte und Stammgäste zu Flammkuchen und Wein treffen. Nur am Wochenende oder Feiertagen – das ist eigentlich Geheimnisverrat, aber schließlich bin ich Journalist und darf das. Für Cornelius ein weiteres Feld, das es zu bestellen gilt, doch er wirkt keinesfalls müde oder angestrengt, sondern vielmehr voller Ideen und Visionen, was man hier noch alles schönes anstellen könnte. So entsteht hier nicht mal 40 Minuten von der Mainmetropole entfernt eine der italienischen Fattoria ähnliche Struktur. In Zukunft können auf dem weitläufigen Gelände der alten Mühle auch Hochzeiten gefeiert werden, erstmals bekommen Gäste Gelegenheit, im Rahmen eines einmaligen Events am Teich zum Froschkonzert zu dinieren – wohl nur der Anfang einer langen, guten Freundschaft.



Und das Restaurant zum Heiligen Stein? Ist nicht nur einen Besuch wert: Sie werden mehrere benötigen, um den künstlerischen Sachverstand des Inhabers voll und ganz genießen zu können, der ausgesprochen geschmackvoll hochinteressante Einzelstücke in die Einrichtung integriert hat. Denn Sie können mir glauben: Das wunderbare Essen wird Sie ablenken! Zum Glück gibt es die Kochkurse mit der Genussakademie, bei denen Sie gemeinsam mit Daniel Cornelius die Geschichte vom Lamm bis zum Braten „durchkochen“ werden. Lassen Sie sich die ganze Geschichte noch mal persönlich von ihm erzählen – es gibt mit Sicherheit schon aktuelle Ergänzungen, denn auf diesem Weg zurück in die Zukunft bleibt im beschaulichen Lich-Muschenheim wohl keiner stehen.

Mehr Infos und Buchung hier.
Weitere Informationen hier
 
15. Juni 2015
Bastian Fiebig
 
 
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