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Zu Besuch beim Küchenchef
Besuch bei: Patrik Kimpel
Foto: Dirk Ostermeier
Dirk Ostermeier
Patrik Kimpel steht seit 19 Jahren am Herd des Kronenschlösschens, doch wo andere in Routine verfallen würden, entwickelt sich der sympathische Küchenchef konsequent weiter – was oft erst auf den zweiten Blick auffällt, denn Kimpel ist ein Meister der leisen Töne.

Selten passen ein Haus und sein Küchenchef derart gut zueinander. Durch die modernistische Brille betrachtet könnte man dem Kronenschlösschen attestieren, dass die Atmosphäre bereits ein wenig verstaubt ist, doch angesichts aktueller Hotelkonzepte, die dem Gast reichlich Authentizität, Gemütlichkeit und Wellness versprechen, wirkt das ehrwürdige Haus mit seinem wunderschönen Garten beinahe schon wie ein Trendsetter. Mittendrin Patrik Kimpel mit seinem jungen und engagierten Team: „Wir haben hier kein Spa und andere Angebote dieser Art, also gibt es bei uns Wellness von Innen“, erläutert der Küchenchef sein Konzept. „Wir kochen nicht nur mit besten Zutaten, sondern achten bei den Rezepten auch darauf, dass es unseren Gästen anschließend noch rundum gut geht. Ein einfaches Beispiel: Die Verwendung von Stauden- anstelle von Knollensellerie sorgt für eine bis zu 30\% bessere Fettverbrennung im Körper.“ Das Ergebnis ist eine entspannte Nacht in einem der märchenhaften Zimmer des Kronenschlösschens.


Der Weg ist das Menü


Kimpel kocht, wie er selbst am liebsten isst: Im Grunde klassisch französisch, dennoch weltoffen und behutsam innovativ. Angesichts seiner Lehrmeister wundert das nicht, denn nach der Ausbildung in der Krone Assmannshausen wechselte er zunächst zu Lothar Eiermann ins Schlosshotel Friedrichsruhe als Chef de Partie, um anschließend bei Hans-Peter Wodarz in der Wiesbadener Ente unterschiedliche Positionen zu besetzen. Nächste Station war das Hotel Traube-Tonbach, wo kein geringerer als Harald Wohlfahrt neue Inspirationen lieferte, bevor es ein zweites Mal in die Ente ging. Hier schließlich sah der Inhaber von Kronenschlösschen und Krone Assmannshausen die Zeit gekommen, Patrik Kimpel an den Herd des Kronenschlösschens zu bitten. H.B. Ullrich, den meisten bekannt als Erfinder und Organisator des Rheingau Gourmet & Wein Festivals, kannte den jungen Koch bereits von seiner Zeit als Azubi in der Krone. „Ich habe ihn die ganze Zeit im Auge behalten. Patrik war schon immer ein echter Typ, den man fordern konnte, der belastbar war und engagiert zu Werke ging. Der Mann kann jederzeit kreative Akzente setzen“.


Das Festival


So begann Kimpels Zeit als Küchenchef des Kronenschlösschens – und bald darauf als enger Partner von H.B. Ullrich, als es darum ging, vor 16 Jahren ein Gourmetfestival ins Leben zu rufen, das heute seinesgleichen sucht. Die allermeisten Köche hält es nicht länger als ein paar Jahre am gleichen Standort, bevor sie vielleicht ein eigenes Restaurant eröffnen. Kimpel jedoch macht hier 2013 die 20 Jahre voll, und das hat auch ganz besonders mit diesem Festival zu tun. „Hier habe ich volle Gestaltungsfreiheit und arbeite mit Ullrich in perfekter Harmonie“. Was die hochdotierten Stars der Kochkunst aus aller Herren Länder nicht nur sofort spüren, sondern sogar derart schätzen, dass einer von ihnen versicherte, die jährliche Bewertung durch die großen Restaurantführer sei für ihn zweitrangig – Ullrichs Anruf im November habe für ihn weitaus höheren Stellenwert! Hier fallen auch nächstes Jahr wieder 14 Tage lang komplette Küchenteams ein und besetzen Kimpels Reich, doch wo sich andere vielleicht eitel in den Vordergrund drängen würden, bleibt Kimpel angenehm zurückhaltend, lässt seine sternedekorierten Gäste umso heller Strahlen. Was nicht bedeutet, dass er und sein Küchenteam keinen Ehrgeiz entwickeln würden. „Wir haben ja auch eigene Veranstaltungen im Programm und sind stolz darauf, dass jedes Jahr mindestens eine davon unter den ersten drei ausgebuchten zu finden ist“. 


Ein Paradies für Weinkenner


Ein wichtiger, gleichberechtigter Zusatz im Namen des Festivals ist der Wein. Die Weinkarte des Kronenschlösschens ist so prämiert wie legendär und listet dennoch nicht alles, was dort an Schätzen liegt. „Ich muss meine Menüs nicht auf irgendwelche Weine zuschneiden – wir haben eine derartige Auswahl, dass sich immer etwas Passendes findet“. Gereifte Raritäten sind ein Steckenpferd der beiden Festivalmacher, „das macht einfach süchtig, wenn man beispielsweise einen vol ausgereiften Riesling im Glas hat. So was kennen heute nur noch wenige und wir leisten unseren Teil, diese Weine wieder bekannter zu machen“. Berühmte Weinmacher wie etwa die Hessischen Staatsweingüter wenden sich immer wieder gern an Ullrich oder Kimpel und bieten Gewächse an, die sonst nirgends mehr verfügbar sind. Die schenkt Sommelier Helge Hagen dann sogar mal offen aus. Pool und Massagepraxis haben viele Hotels, solche Tropfen jedoch nicht – Wellness pur für Genießer.


Forever Jeune


Ist der zweite Schwerpunkt von Kimpels Arbeit sein Steckenpferd? Nein, eher ein Rennpferd mit viel Ausdauer, denn kommt das Gespräch auf die Jeunes Restaurateurs, dann wird aus dem eleganten Lächeln auf Kimpels Gesicht ein breites Leuchten. „Ohne diese Organisation wäre ich im Leben nicht so weit gekommen.“ Die jungen Küchenchefs helfen sich nicht nur innerhalb eines bestens funktionierenden und auf persönlichen Freundschaften aufbauenden Netzwerks durch Erfahrungs- und Ideenaustausch oder ganz praktisch durch Unterstützung bei Veranstaltungen, sondern engagieren sich auch nachhaltig bei der Ausbildung eines Nachwuchses, der solides Fachwissen aus erster Hand bitter nötig hat. Kimpel stieß im Jahr 1997 hinzu und war maßgeblich daran beteiligt, dass die Jeunes Restaurateurs am gastronomischen Bildungszentrum Koblenz unterrichten und eine eigene Akademie gründeten. Bald war er Vizepräsident, seit drei Jahren führt er die Organisation jetzt als Präsident. Acht Kochbücher sind mittlerweile entstanden: „Früher gab es für uns nur Bocuse oder Escoffier als Literatur – heute hat ein Nachwuchskoch viel Lesestoff, und wir haben sehr viel selbst auf die Beine gestellt“. Mit 45 ist man zwar offiziell nicht mehr jeune, aber als mitteilsamer Restaurateur bleibt Kimpel dem Nachwuchs mit Sicherheit noch lange erhalten.


Qualität an erster Stelle


Wie sehr guter Geschmack von der Qualität der verwendeten Produkte abhängt, lernte Kimpel übrigens schon als Kind. Sein Großvater, von Beruf Binnenschiffer, brachte auf dem Weg von Basel nach Rotterdam immer Schweizer Schokolade mit – „die liebe ich noch heute“. Ob das schon den entscheidenden Kick zur Karriere als Sternekoch brachte? Die Eltern, nach heutigem Jargon beides ausgezeichnete „Hobbyköche“, unterstützten ihn jedenfalls nach Kräften, das Ergebnis ist bekannt. Den Impuls, sich bei der Auswahl seiner Zutaten in der Region zu bedienen, verdankt Kimpel unter anderem der wundersamen Vermehrung des Angebots an eigentlich seltenen Produkten. „Da konnte man regelrecht zusehen, wie auf einmal an jeder Ecke Müritz-Milchlamm angeboten wurde – so schnell vermehren die sich aber nicht.“ Als schließlich ein Lieferant Lammfleisch anbot, das eher vom Hammel denn vom Milchlamm stammen musste, platze dem ruhigen Küchenchef der Kragen, und die Wut ist ihm heute noch anzumerken, wenn er davon erzählt. „Bei den Schweinen ist es ähnlich, denn was heute alles als Schwäbisch-Hallesches Landschwein deklariert wird ...“.


Das Gute liegt ganz nah


Kimpel begann, nach Alternativen in seiner Region Ausschau zu halten und wurde schnell bei Familie Dörr fündig. Deren Bauernhof liegt derart paradiesisch, dass jeder Stadtmensch angesichts dieser Idylle sofort damit beginnt, seinen Ausstieg in Richtung Land zu planen. So ging es auch Klaus und Christel Dörr, die vor über 30 Jahren zunächst beschlossen, eine kleine Mühle in der Nähe von Darmstadt zu betreiben. Dann rief die Ferne, und gemeinsam mit vielen anderen zog es die beiden gemeinsam mit ihrem kleinen Sohn Simon in die Toskana, um dort den Traum vom eigenen Bauernhof zu leben. Großvater Dörr war seinerzeit Wanderschäfer und Sohn Klaus zog es angesichts eines Lebens in und mit der Natur leidenschaftlich zum Beruf Landwirt, was ihm die Eltern jedoch untersagten. Also studierte Klaus Maschinenbau (kann man ja auch in der Landwirtschaft gebrauchen), anschließend Industriedesign (der Mensch lebt ja nicht vom Brot allein) und verdiente in diesem Beruf ausreichend Geld, um schließlich doch seinen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Frau Christel hatte auch kein Problem damit, ihren Job als Lehrerin an den Nagel zu hängen, doch nach gerade mal zwei Jahren in der traumhaft schönen, aber umso schwerer zu bewirtschaftenden Toskana war klar, dass die Zukunft von Familie Dörr woanders liegt. „Selbst unter den Deutschen vor Ort waren wir Außenseiter. Die lagen immer unterm Olivenbaum und schlürften Wein, während wir die Ernte einbrachten“, weiß Christel Dörr zu berichten. Es ging zurück nach Hessen, genauer: Auf den Hof Fischbach, den die Dörrs schließlich vor 28 Jahren zu ihrer neuen Heimat machten.


Hartes Glück


Von Anfang an war klar, dass biologische Landwirtschaft eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Zunächst hielt man Rinder und Rhönschafe, von denen heute noch etwa 20 Stück auf der Weide stehen, denn auf den kargen Böden gedeiht Getreide nicht sonderlich gut. Was die Dörrs nicht daran hindert, dennoch ein paar Hektar mit Roggen zu bepflanzen und aus der Ernte eigenes Brot zu backen. 400 Leibe bestes Sauerteigbrot verlassen jede Woche die Hofeigene Backstube. „Morgens um 4.30 Uhr geht es los. Das ist manchmal natürlich hart, doch wenn ich aus dem Fenster in Richtung Sonnenaufgang schaue, ist das einfach herrlich“, sagt Sohn Simon Dörr, der das Brot selbst rein handwerklich bäckt. Er hat unterdessen sein Studium der Agrarwissenschaften abgeschlossen und wird noch in diesem Jahr den Hof von seinen Eltern übernehmen. Mit dieser Aussicht wurde das hofeigene Terrain Wiese für Wiese auf nunmehr 120 Hektar aufgestockt. 200 Limousin-Rinder und Bullen der Rasse Blond d’Aquitaine stehen 200 Tage im Jahr auf der Weide, Muttertierhaltung der Kälber ist dabei genauso selbstverständlich wie die Einhaltung aller weiteren Kriterien des Naturland-Verbandes, der den Hof vor ein paar Jahren klassifiziert hat. Unmittelbar neben dem Hof stehen vier sehr ungewöhnliche, kleine Rinder und betrachten uns neugierig. „Wir experimentieren zur Zeit mit Zwergzebus. Ihr Fleisch ist allerdings eher fest und somit erklärungsbedürftig.“


Von der Weide in den Hofladen


Da warten wir mal ab, was draus wird – das Schicksal der bald eintreffenden Junggänse ist allerdings schon klar, denn Patrik Kimpel und ein paar wenige Abnehmer mehr haben sie schon fest in ihr Weihnachtsmenü eingeplant, doch zuvor darf das stolze Federvieh ein ganzes Jahr auf der Wiese verbringen. Natürlich gibt es auch noch Katze, Hund, Hühner, Pferde und überhaupt alles, was zu einem echten Bauernhof gehört, doch auf die Idee, hier ein paar Appartements für Gäste einzurichten, ist man (leider) noch nicht gekommen. Dafür kann man Produkte vom Fischbachhof und von ebenfalls biologisch wirtschaftenden Freunden aus aller Welt wie etwa Gemüse, Obst, Geflügel, Fleisch, Eier, Honig, Marmelade und vieles mehr im eigenen Ladengeschäft „Hofladen 26“ in Wiesbaden, Taunusstraße 26 erwerben – natürlich auch das Brot! Die Fernsehsendung „Bauer sucht Frau“ läuft hier nicht, denn Simon Dörr hat bereits eine Freundin gefunden, was als Landwirt immer noch nicht leicht ist. Sie steht bei unserer Tour am Wegesrand, winkt, die Sonne scheint, es riecht nach Gras und Blüten – die Vorderseite des Paradieses scheint mit Wein bewachsen zu sein, sein Rücken liegt offensichtlich hier.


In der Ruhe ...


Klaus Dörr erzählt beim Abschied noch eine kurze Geschichte von einem Besuch im Kronenschlösschen. Es gab Weihnachtsgans. „Des warn natürlich nur so’n paar Stückscher, aber geschmeckt habbe die – sensationell!“ Kein Wunder, denn Kimpel weiß seit langem, wie es geht, doch abhängig vom Urteil der Restaurantführer macht er sich nicht. „Über den ersten Stern im Jahr 2010 habe ich mich zunächst gar nicht so sehr gefreut, aber was mich wirklich sehr angerührt hat, waren die tollen, warmherzigen Reaktionen von Freunden und Gästen.“ Da ist sie wieder, diese Mischung aus Bescheidenheit und Gelassenheit. Das Kronenschlösschen ist eigentlich im schönsten Sinne Konzeptkunst: Die Sache spricht für sich selbst, sowohl im Hotel als auch im Restaurant und die Protagonisten Kimpel und Ullrich bleiben dezent im Hintergrund. Da arbeitet es sich nämlich am besten. Das Ergebnis genießen die Gäste. Jeden Tag.


Kronenschlösschen, Rheinallee, 65347 Eltville-Hattenheim, Tel,. 06723-640, info@kroenenschloesschen.de, www.kronenschloesschen.de, Öffnungszeiten Mo-So 12-14 und 18.30-24 Uhr


Familie Dörr, Hof Fischbach, 65307 Bad Schwalbach-Fischbach, Hofladen: Taunusstraße 26, 65183 Wiesbaden, Tel. 0611-9590812

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Weitere Informationen hier
 
19. November 2012
Bastian Fiebig
 
 
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