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Weinberatung im 21. Jahrhundert

Alles trocken oder was?

Es war einmal vor nicht allzu langer Zeit, da wusste ein Kellner noch, was er seinen Gästen als Wein empfehlen wollte. Besser: Er kannte sich sogar damit aus. Heute sieht das oft ganz anders aus.
Es beginnt mit dem Unwillen vieler Gastronomen, überhaupt eine nennenswerte Anzahl offener Weine auf die Karte zu schreiben. Je mehr Auswahl, desto mehr Wissen ist ja beim Servicepersonal erforderlich, um den Gast durch den scheinbar undurchdringlichen Dschungel der unterschiedlichen Gewächse zu führen und ihm schließlich den passenden Wein zum Essen zu empfehlen. Und dieses Wissen ist meist nicht vorhanden.

Die Fortsetzung ist die scheinbar logische Beschränkung auf "wesentliche" Weine in Flaschen. Also solche, die noch der letzte Ignorant namentlich aus dem Supermarkt kennt. Eingeführt hat diese Unsitte seinerzeit der typische "Italiener von Nebenan": Soave, Chianti, Montepulciano, Lambrusco, Basta.

Interessanter Weise liegen die italienischen Gastronomen auch beim Ausweg aus dieser Ödnis wieder gut im Rennen, denn zahlreiche Gastronomen bieten unterdessen spannende Weine vom Stiefel zu realistischen Preisen an, die entdeckt werden wollen. Und das sogar offen. Nur erläutern kann sie auch hier keiner so richtig. "Ist schön trocken" oder "Super kräftig" sind da noch ambitionierte Bemerkungen.

Eine Stufe höher vertraut der Restaurantleiter meist bekannten Etiketten, und so stehen schon die leeren Flaschen Tignanello, Sassicaia oder Ornellaia bereit, um dem Gast die Auswahl leicht zu machen. Selbst beim Fine Dining verzichtet man gern aus ökonomischen Gründen auf den Sommelier – in der Kameha Suite rechtfertigt man das mit dem Satz "Der Gast soll die Freiheit haben, selbst den passenden Wein für sich zu finden". Sparsamkeit am Gast wird hier mit Freiheitsdrang und Individualität übersetzt.

Es geht natürlich auch anders, was viele gerade kleinere Restaurantkonzepte beweisen, doch generell lässt sich der Trend zur Banalität bei gleichzeitig steigenden Preisen nicht verleugnen. Bildung in Sachen Produktherkunft und-qualität, die entsprechende handwerkliche Souveränität beim Einschenken und die genaue Kenntnis der Harmonie von Wein und Speisen sind Bestandteil einer guten Ausbildung als Kellner – Sommeliers brauchen noch weitaus mehr Wissen für ihren Job.

Was uns heute als Service selbst in der kulinarischen Oberklasse verkauft wird, ist jedoch weit davon entfernt, auch nur geringen Ansprüchen gerecht zu werden. "Richtige" Kellner sind wohl einfach zu teuer geworden und überdies schwer zu finden. Wer hat schon Lust, eine komplizierte Ausbildung für einen Beruf abzuschließen, der anschließend nur reichlich Arbeit, einen Hungerlohn und zudem oft schlecht erzogene Gäste garantiert?

Nicht nur der Gastronom trägt an diesem Missstand die alleinige Schuld. Auch wir Gäste haben verlernt, einen guten Service die entsprechende Wertschätzung zu erweisen. Es ist höchste Zeit, wieder mehr Kultur in der Gastronomie zu wagen.
 
9. Mai 2011, 06.19 Uhr
Bastian Fiebig
 
 
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