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Massenrabatt

Das Bridget-Jones-Phänomen

Singles haben’s nicht leicht: Bei Pärchenabenden sind sie das fünfte Rad am Wagen, wenn sie krank werden, können sie nur sich selbst auf den Keks gehen und im Supermarkt müssen sie Unsummen ausgeben für Dinge, die sie ohnehin niemals aufessen.
Es ist Sonntagabend, ich sitze auf meinem Bett, ein Buch von Helen Fielding auf dem Schoß. Es ist einer jener Abende, an denen man froh ist, wenn die Welt einen mal ein paar Stunden in Ruhe lässt. Und weil er perfekt werden soll, habe ich Vorkehrungen getroffen: Ich habe Schokolade gekauft, meine Lieblingssorte, Traube-Nuss. Die liegt nun ausgepackt neben mir – eigentlich zu viel für einen allein. Ich weiß schon jetzt, dass mir in weniger als einer Stunde furchtbar schlecht werden wird. Aber was soll ich tun? Mittendrin aufhören? Unmöglich! Was da ist, muss auch weg! Und so esse ich die ganze Tafel, ertrage das Bauchweh und erstelle den Sportplan für den morgigen Tag – kein Problem, alles Routine, das ist ja jedes Wochenende so! Aber insgeheim, da ärgere ich mich schon ein bisschen, so ganz tief in mir drinnen. Nicht über mich oder meine mangelnde Selbstbeherrschung … ich bin ja schließlich auch nur ein Mensch! Nein, ich ärgere mich über die Schokoladenindustrie, die fleißig Kakaobohnen mahlt und Vollmilch rührt und nicht im Traum daran denkt, einfach mal kleinere Tafeln ins Sortiment aufzunehmen, für Menschen wie mich, Singles, Einpersonenhaushalte, Alleinlebende. Aber wozu auch? Ich kauf sie ja doch immer wieder, die große Tafel.

Manchmal ist es schwer zu glauben, dass Singles und Alleinlebende mittlerweile rund 40 Prozent der Gesellschaft ausmachen. Von der Lebensmittelindustrie werden sie dennoch beharrlich ignoriert oder, noch schlimmer, gezielt geschröpft. Beim Spaziergang durch die Supermarktregale fühlt man sich schnell als Eremit, wird man dort doch konfrontiert mit riesigen Milchtüten und 500-Gramm-Magarinepackungen. Da bleibt einem nicht viel mehr als der betröppelte Gang zur Wurst- und Käsetheke, um sich die zwei Scheiben Gouda und drei Scheiben Schinken abzuholen, die man übers Wochenende zu verzehren gedenkt. Im Obstsortiment suche ich mir zwei Nektarinen zum Kilopreis von 2.99 € aus und wiege sie, mit einem traurigen Blick auf die abgepackte Kiloschale zu 1,29 €, eigenhändig ab. Die Eier, im Dutzend für 1,99 erhältlich, gibt’s auch im 6er-pack für 1,49 oder, für ganz Einsame, in der Vierer-Box für 99 Cent. Klingt günstig, ist es aber nicht! Und am Kühlregal stehen Alleingebliebene wie immer vor der Qual der Wahl: Das halbe Pfund Butter kaufen und den Großteil ranzig werden lassen oder doch lieber das 100-Gramm-Päckchen für Einzelgänger nehmen, das gerade mal 20 Cent billiger ist – in unserer Wegwerfgesellschaft kommt Singles ein reines Gewissen oftmals teuer zu stehen.

Bleibt zuletzt noch der Gang zum Bäcker, wo man der netten Fachverkäuferin mit den immer gleichen Argumenten zu erklären versucht, dass man eben nicht einfach das für Singles vorgesehene kleine Roggenmischbrot kaufen möchte, weil man viel lieber Vollkornbrot isst. Wem es gelingt, sein Anrecht auf eine gesunde Ernährung zu verteidigen und sich letztlich doch einen halben Laib Dinkel-Vollkorn zu ertrotzen, der kann wahrlich stolz auf sich sein. Doch nicht jeder ist so willensstark! Und so kaufen wir von unserem massenhaft verfügbaren Einkommen literweise Milch, Großpackungen an Frischkäse und Obstschalen, die vor unseren Augen dahinrotten. Immer mit dem festen Vorsatz: Diesmal esse ich sie auf! Die Wenigsten von uns können sich daran halten, doch einigen gelingt es tatsächlich.

Erinnern Sie sich noch an Bridget Jones, die pummelige britische Roman-Heldin? Die meisten würden von ihr behaupten, sie sei Single gewesen, weil sie übergewichtig war. Aber mittlerweile weiß ich: Sie war übergewichtig, weil sie Single war!
 
26. September 2011, 12.00 Uhr
Henriette Nebling
 
 
Fotogalerie:
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