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Foto: Isabella Caldart
Foto: Isabella Caldart

Kaffee und Kumpir

Wasserhäuschen der Zukunft

Die Uni ist beinahe komplett im Westend angekommen, doch außerhalb des Campus fehlt es an Cafés für Studenten. Der neue Kartoffelkiosk, der in einem klassischem Frankfurter Wasserhäuschen untergekommen ist, ändert das jetzt. Plus: Die Mission der Wasserhäuschenretter und die besten Kiosks der Stadt!
Der Umzug der Universität von Bockenheim ins Westend ist fast vollzogen, doch anders als in Bockenheim fehlte es bisher an studentischen Cafés und Treffpunkten im teuersten Viertel der Stadt. Seit Mitte September hat sich das geändert, denn nun hat ein umgebautes Wasserhäuschen aus dem Jahre 1951 mit dem einprägsamen Namen „Rootzs der Kartoffelkiosk“ eröffnet. Der kreative Kopf dahinter ist Suat Kayas, der einst das Helium mitaufbaute und auf Ibiza, in Istanbul und Zürich gastronomische Konzeptes betrieb. Jetzt ist er zurück im Westend, wo er über zehn Jahre lang wohnte. „Das Wasserhäuschen, das hier stand, war ziemlich heruntergekommen“, erzählt er. „Ich habe die Form beibehalten und einen Teil des alten Holzes, ansonsten wurde es sechs Monate lang kernsaniert.“

Der Kartoffelkiosk liegt an dem nach dem Frankfurter Psychoanalytikerpaar Alexander und Margarete Mitscherlich benannten Platz zwischen Campus und Palmengarten. „Hier treffen sich Westendler, Studenten und durch den Palmengarten auch Touristen aller Welt“, schwärmt Kayas, der westenduntypisch niedrige Preise auffährt. Neben einer großen Bierauswahl mit Tegernseer, Schlappeseppel, Augustiner und Tannenzäpfle bietet er Heißgetränke wie Kaffee aus einer Kolbenmaschine („die hat sogar zwei Filter!“) und Nana- oder Thymiantee an, außerdem offene Weine.

Auch zum Snacken gibt es reichlich: In der großen Schale mit Erdnüssen kann sich jeder umsonst bedienen. Wer etwas mehr will, für den gibt es Simits, türkische Sesamkringel, Arancini, sizilianische Reisbällchen, Quiches und vegane Stullen. Besonders stolz aber ist Kayas auf seine Ofenkartoffeln, im Türkischen Kumpir genannt. „Das ist sozusagen orientalisches Fast Food. Die Kartoffel wird mit Thymianbutter vermengt und dann mit verschiedenen Toppings serviert, zum Beispiel mit Couscous, Oliven, Gemüse, Kichererbsen oder Bauernsalat.“ Alle Speisen sind vegan oder vegetarisch. Kayas deutet auf die fleischfressende Pflanze, die unter dem Sonnenschirm hängt. „Sie ist die einzige hier, die Fleisch isst“, scherzt er.

Aber der Kartoffelkiosk hat nicht umsonst das Wörtchen „Kiosk“ in seinem Namen: „Wir sind ein Mischkonzept. Mit einem klassischen Schiebefenster, wie man das von Büdchen kennt, haben wir an der Seite des Wasserhäuschen auch Kioskbetrieb, es gibt Zeitschriften oder Süßigkeiten für die gemischte Tüte.“

Wichtig ist für Suat Kayas auch der Umweltschutz. „Unser Essen ist zu achtzig Prozent biologisch, und das Einweggeschirr, Messer und Pappbecher sind biologisch abbaubar.“ Die bunten Holztische und -stühle, die vor dem Kartoffelkiosk stehen, sind upgecyclet. Kayas zeigt ein Foto mit Fischerbooten. „Das sind balinesische Boote, die sechzig, siebzig Jahre auf dem Meer geschippert sind. Aus denen wurden unseren Möbeln gebaut.“ Auch die Theke und die zwei Hochtische sind aus besonderem Holz gefertigt. „Als die Uni-Klinik hier in Frankfurt erweitert wurde, mussten 220 Jahre alte Mammutbäume gefällt werden. Die Stämme habe ich zum Verkleiden der Theke benutzt.“

Innerhalb kürzester Zeit hat sich das Wasserhäuschen am Mitscherlichplatz zu einem beliebten Treffpunkt entwickelt. „Die Hängematte hier hat ein Gast mitgebracht. Sowas ist natürlich toll!“

Rootzs der Kartoffelkiosk, Westend, Grüneburgweg/Ecke Fürstenbergerstraße, rootzs.de, Mo–Fr 8–22, Sa/So 9.30–22 Uhr


Linie 11 – Die Wasserhäuschenretter
Ihre Blütezeit erlebten die Wasserhäuschen nach dem Zweiten Weltkrieg: Mitte der 1970er Jahre gab es im Stadtgebiet knapp 800 Büdchen. Längere Öffnungszeiten der Supermärkte, Tankstellen und ein schlechtes Image führen aber inzwischen dazu, dass immer mehr Wasserhäuschen schließen müssen. Das rief die Jungs von Linie 11 auf den Plan: Sechs Frankfurter und ein Eingeplackter (für Nicht-Frankfurter: so nennt man einen Zugezogenen) beschlossen eines schönen Sommertags, die längste Straßenbahnlinie der Stadt, die Linie 11, komplett durchzufahren und an jeder Station auszusteigen und sich umzugucken. Dabei bemerkten sie, dass nahezu alle Haltestellen ein Wasserhäuschen in der Nähe hatten – was die Herren auf die Idee brachte, einen Verein zu gründen. „Genaue Zahlen zu erheben ist schwierig, aber es gibt keine 300 Büdchen mehr in Frankfurt. Wir möchten die Trinkhallenkultur der Stadt erhalten und hoffen außerdem, dass wir Leute dazu motivieren können, selbst ein Wasserhäuschen zu eröffnen“, erläutern Frederick Löbig und Oliver Trepper, zwei Gründungsmitglieder der Linie 11, ihre Mission. „Wer den Schritt wagt und sich an ein Wasserhäuschen stellt, lernt oft interessante Menschen kennen.“ Erste Früchte scheint die Arbeit der Linie 11 schon zu tragen.

Wasserhäuschen Gudes
Nordend, Friedberger Landstraße 107, Matthias-Beltz-Platz, gudes-frankfurt.de, Mo–Fr 7–22, Sa/So 10–22 Uhr
Ein kleines Quäntchen Glück und innovative Ideen sorgten dafür, dass sich das Wasserhäuschen am neu gestalteten und umbenannten Matthias-Beltz-Platz innerhalb kürzester Zeit zum Szenetreff des Nordends entwickelte. Das „Gudes“, wie Florian Abel und Felix Wegener das Häuschen zur Wiedereröffnung im November 2013 tauften, hat im Vergleich zu anderen Kiosken einen entscheidenden Vorteil: Es gibt anständigen Kaffee, gemacht mit einer Maschine, die sonst in Cafés und Restaurants zu sehen ist. „Unsere Idee war, diese Frankfurter Institution aus ihrer Schmuddelecke zu holen“, erzählen die Betreiber. „Immerhin ist das ja der Grundgedanke des Büdchens: Leute treffen sich, plaudern und entspannen hier.“ Natürlich ist das Gudes auch gedacht für den Anwohner, der mal eben Zigaretten holen geht, Kinder, die ein Eis wollen, oder Bauarbeiter, die nach Feierabend auf ein Bierchen vorbeikommen. Aber durch eine breite Auswahl an Getränken, kleinen Snacks, Musik und einigen Tischen auf dem aufgehübschten Platz ist das Wasserhäuschen auch für ein alternatives Publikum attraktiv geworden.

Wasserhäuschen Holbeinstraße
Sachsenhausen, Holbeinstraße 63
Elif, die neue Besitzerin des Wasserhäuschens auf dem Grünstreifen in der Holbeinstraße, hat das Häuschen zwar erst seit Mai 2014 gepachtet, doch eigentlich gehört es mit seinen einhundert Jahren zu den ältesten noch erhaltenen der Stadt und hat – wie so viele andere – keinen festen Namen. Sachsenhäuser aller Couleur treffen sich hier, Nachbarn, Schüler der umliegenden Schulen, Fußballfans auf dem Weg zum Stadion und auch zahlreiche Fahrradfahrer kommen auf eine Erfrischung vorbei. Wie an vielen Wasserhäuschen gibt es auch hier täglich Spannendes zu erleben, wie Elif erzählt: An einem sonnigen Septembernachmittag flog, vom Fahrer unbemerkt, aus dem Hinterfenster eines vorbeifahrenden Autos eine Anzugjacke. Inhalt: eine beachtliche Summe Bargeld, Kreditkarten, Handy. Rainer, Pohl-Peter und Buba, Stammgäste des Wasserhäuschens, die gerade an dem seitlich aufgestellten Tischlein saßen, beobachteten den Vorfall und schritten zur Tat. Sie sammelten das Jackett auf und riefen die Polizei, die den Besitzer ausfindig machen konnte – eine echte Wasserhäuschenanekdote.

Wasserhäuschen auf der Insel
Bockenheim, Franz-Rücker-Allee 29
Wie lange es das Bockenheimer Wasserhäuschen mit dem charakteristischen Schwanenbild schon gibt, darüber streiten sich die Geister. Aber die älteren Besucher sind sicher: Mindestens sechzig Jahre hat das Büdchen gegenüber der Frauenfriedenskirche schon auf dem Buckel. Dank der beiden Studentenwohnheime in direkter Nachbarschaft gibt es auch viele junge Kunden, die sich auf ein Bierchen, Kaffee oder Eis treffen. Auf dem direkt angrenzenden Bouleplatz spielt bei gutem Wetter der 1. Frankfurter Pétanque Club mit seinen Kugeln.

Mehr über die Tradition der Frankfurter Wasserhäuschen und spannende Adressen findet ihr im FRANKFURT FÜR STUDENTEN, das ab dem 10. Oktober kostenlos an den Frankfurter Hochschulen ausliegt.
 
6. Oktober 2014, 13.00 Uhr
Isabella Caldart
 
 
Fotogalerie:
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