Newsletter
|
ePaper
|
Apps
|
Abo
|
Shop
|
Jobs

Innere Werte

Verkannte Deftigkeit

Wer Fleisch sagt, meint Filet, Kotlett, Nacken oder ähnliches. Doch ein Tier besteht aus mehr als nur Muskeln und Knochen – Innen ist da noch mehr. Bei den meisten reicht jedoch schon die bloße Erwähnung des Wortes Innereien für eine gerümpfte Nase. Schade.
Am 4. Februar war ich von der Freimaurerloge Lessing zum traditionellen Burns Supper ins Logenhaus eingeladen. Sie kennen Robert Burns nicht? Der Mann war der bedeutendste Dichter Schottlands und ihm zu Ehren feiert mittlerweile nicht nur ganz Schottland, sondern auch jede Scottish Community irgendwo in dieser Welt seinen Geburtstag. Jetzt hat sich dieser Brauch also auch in der Mainmetropole etabliert, und selbstverständlich werden dabei sämtliche Register gezogen: Es sind viele Herren im Rock zugegen, der Dudelsack klingt, auf den Tischen steht Whisky (klar, Single Malt) und aufgetischt wird Haggis.

Kennen Sie auch nicht? Bereits bei der Ankündigung im Festsaal wird beschwichtigend erwähnt, dass der Haggis dieses Jahr milder sei, es gbe außerdem eine Damenvariante aus Lammfleisch und sogar ein vegetarisches Haggis. Wie bitte? Da hätte man wohl lieber ein paar Tofuwürstchen gebraten, denn Haggis fleischlos ist einfach absurd. Weshalb? Ganz einfach: Das Original besteht aus dem Magen eines Schafes, der mit Herz, Leber, Lunge Nierenfett vom Schaf, Zwiebeln und Hafermehl gefüllt und sodann gegart wird. Ordentlich Pfeffer anbei schärft das würzige Dings .. äh, Haggis und wie Sie sich denken können, ist das Ganze nichts für die Frühjahrsdiät.

Dafür schmeckt es einfach unvergleichlich gut, selbst wenn es nicht gerade hübsch daher kommt. Hier hat man zumindest den Schafsmagen gegen einen Kunstdarm getauscht, das Haggis sieht also aus wie eine riesige Brühwurst. Von widerlichen Innereidüften oder ähnlichem kann jedoch keine Rede sein, vielmehr entsteigt dem Unikum ein herrlicher Braten- und Würzduft und die traditionelle Verbindung mit Kartoffelstampf sowie Möhren-Rüben-Gemüse ist schlicht hinreißend. Da bleibt die Lammvariante weit zurück, wenn auch gelungen, und die vegetarische ... na ja, wenns dem Brauchtum dient.

Vielen erscheint Innereiengeschlemme unappetitlich, während sie ihre Bratwurst im Naturdarm genießen, ganz zu schweigen von Fleischwurst, nach dem Motto "das Auge isst man mit", aber alles scheint einfach eine Frage der Tarnung zu sein. Ich halte auch bei der Optik von Speisen ein wenig mehr Ehrlichkeit für empfehlenswert, es muss ja nicht gleich wie im Dschungelcamp zugehen. Kuttelsuppe etwa sieht adrett aus, schmeckt fantastisch und es gibt reichlich tolle Rezepte, die viel Freude machen – probieren Sie es einfach mal aus, die inneren Werte schmecken gut!

Die Veranstaltung findet übrigens im nächsten Jahr zum dritten Mal statt. Wieder mit Haggis und hoffentlich auch mit Thomas Zöller am Dudelsack und Cheyenne Brown an der Harfe. Beide waren wie der ganze Abend eine echte Entdeckung. Weitere Infos bekommt man unter der angeführten Website.
 
6. Februar 2012, 06.13 Uhr
Bastian Fiebig
 
 
Fotogalerie:
{#TEMPLATE_news_einzel_GALERIE_WHILE#}
 
 
 
 
Top-News per Mail