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Foto: Dirk Ostermeier
Foto: Dirk Ostermeier

Imkern auf dem Dach des Jumeirah

Tiere mit Skyline-Blick

Biene und Huhn als Nutztiere mitten in der Großstadt: Beide haben es sich in Frankfurt bequem gemacht und tun der Natur damit einen großen Gefallen.
Das verhältnismäßig kleine Gehirn von Honigbienen – es hat etwa die zehntausendstel Größe des eines Menschen – gilt bei Experten als faszinierender Forschungsgegenstand. Es findet durch ein Labyrinth, ist lernfähig, orientiert sich am Stand der Sonne, sieht UV-Licht und kann sogar menschliche Gesichter wiedererkennen. Damit ausgestattet, haben Bienen gemeinsam mit anderen Insekten die ehrenvolle Aufgabe übernommen, die Pflanzenwelt mit Bestäubung in Gang zu halten. Doch veränderte Umstände machen es den Bienen nicht leicht: Durch Pestizide, Insektizide und Monokulturen entstand ein vom Menschen verursachtes, massenhaftes Insektensterben. Mittlerweile wollen viele Menschen helfen. Viele hängen in ihrem Garten Insektenhotels für Wildbienen und andere Insekten auf, und die Anzahl der Hobbyimker, die sich um Honigbienen kümmern steigt.

„Parallel zum Trend des Urban Gardening möchten sich immer mehr Menschen der Natur anzunähern. Dadurch ist wahrscheinlich in den letzten zehn Jahren auch die Anzahl der Imker in den Städten gewachsen“, sagt Andreas Wolf, Imker und Mitglied der Künstlergruppe Finger. Das Künstler-Duo, zu dem auch Florian Haas gehört, imkert seit über zehn Jahren in der Frankfurter Innenstadt und bindet die Bienen in ihre Kunstprojekte ein. Für das erste internationale Wettfliegen der Bienen vor rund zwei Jahren setzten Wolf und Haas den Startpunkt auf dem Dach des Jumeirah Hotels im 28. Stock fest. Anschließend übernahmen sie dann die beiden Bienenstöcke des Hotels unweit der MyZeil. Pro Jahr kommen pro Volk etwa 30 Kilogramm zusammen, die im Hotel für das Frühstück, an der Bar für Cocktails und im Spa-Bereich für Pflegeanwendungen verarbeitet werden. Im Frühjahr hat die Künstlergruppe zudem zehn Bienenvölker im Garten des Museums für Angewandte Kunst angesiedelt, wo sie am vergangenen Samstag das „Neue Museum für Bienen“ eröffneten. Eintritt in das Museum haben nur Bienen, die menschlichen Besucherinnen und Besucher können aber von oben bei der Besichtigung zusehen, und mehr über die Lebenswelt der Bienen erfahren. Im Rahmen der Klimagourmetwoche fand anschließend an die Eröffnung eine Verkostung von Bienen und Honigwasser statt.

Stadtleben: beste Leben

Für die Bienen selbst hat das Leben in der Stadt eine Vielzahl an Vorteilen: „Für sie gibt es hier eine reichhaltigere Nahrungspalette und nicht nur ländliche Monokulturen. Zudem existiert ein kontinuierliches Angebot“, sagt Wolf. Auf dem Land blühe zwar eine Zeit lang beispielsweise viel Raps, aber danach gäbe es für die Bienen oftmals nichts mehr. Die Stadtbienen besitzen einen Flugradius von zwei bis drei Kilometern, finden in Parks, Alleen, auf Friedhöfen und in Gärten ein vielfältiges Nahrungsangebot und sind kaum Insektiziden oder Pestiziden ausgesetzt. Zudem sorgt das Vielfältige Nahrungsangebot auch für einen facettenreichen Geschmack des Honigs: „Städtischer Honig ist ein extremer Mischhonig, weil verschiedenste Anteile drinstecken. Der Honig bildet gewissermaßen immer den jeweiligen Standort, und damit sozusagen den Geschmacks Frankfurt ab.“

Auch Dürreperioden würden ihnen weniger ausmachen, da in trockenen Zeiten ausgiebig gegossen wird. „Die Lebenssituation für Bienen ist in den Städten eigentlich top, das geht kaum besser“, sagt der Imker. 2007 startete die Künstlergruppe Finger mit einem Bienenstock im Bahnhofsviertel ihr Projekt. Zu dieser Zeit war das städtische Imkern noch ein kaum vorhandenes Phänomen. In Städten wie New York, Paris und Berlin gab es seit den 80er Jahren vereinzelt Experimente, als einer der Vorreiter gilt aber ein Projekt im Frankfurter Wasserpark, in dem bereits 1880 Bienenvölker angesiedelt wurden. Der Bienengarten existiert bis heute und wird von zwölf Imkerinnen und Imkern versorgt. „Mittlerweile gibt es eine relativ hohe Bienenvölkerdichte in Frankfurt. Vor einigen Jahren waren es rund 200 Imker und 400 Bienenvölker.“, sagt Wolf. Lediglich die Varroamilbe sei ein größeres Problem. Die Bienenvölker übertragen sie untereinander, wenn sie in andere Stöcke eindringen, diese ausrauben und in ihren eigenen Bienenstock einschleppen. Die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung sei bei einer hohen Bienendichte auf einer verhältnismäßig kleinen Fläche wahrscheinlicher. Wenn die Bienen auf dem Jumeirah-Dach nicht selbst als Räuber agieren und sich damit Schädlinge einschleppen, haben sie den Vorteil von anderen Bienenvölkern nicht so leicht gefunden zu werden. Was in rund 90 Metern Höhe sonst noch besonders ist: „Die Aussicht“, sagt Wolf.

Wo es Hühnern gut geht

Auch die Lebensmittel-Genossenschaft „Die Kooperative“ hat Tiere in die Stadt geholt: Rund 220 Hennen und vier Hähne picken in Oberrad mit Skyline-Blick. Durch eine Crowdfunding-Kampagne konnte Die Kooperative Anfang des Jahres ein Hühnermobil anschaffen, das Mensch und Tier den bestmöglichen Standard bietet: Bio-Qualität, Zweinutzungshühner, die zur Eier- und Fleischerzeugung dienen, sowie die Mitaufzucht von Hähnen. „Wir haben unsere Mitglieder entscheiden lassen, welche Art von Haltung sie sich wünschen“, sagt Christoph Graul, Gründungsmitglied von Die Kooperative, „ein normales Hybridhuhn legt rund 180 Eier im Jahr, unsere Hühner legen nur 140 bis 160 Eier, zudem ist ihr Futterverbrauch höher, dafür sind sie aber robuster und können ein längeres, glückliches Leben führen.“

Das Hühnermobil steht zudem immer wieder an einer anderen Stelle auf dem Feld. Dadurch wird der gesamte Acker von den Hühnern gedüngt, die Verhältnisse sind hygienischer und die Nitratbelastung des Bodens ist nicht so hoch. „Wir müssen gar keinen Dünger hinzukaufen, das machen alles die Hühner. Auf diese Weise haben wir einen funktionierenden Kreislauf geschaffen“, sagt Graul. Das Hühnermobil ist autark, durch Solarzellen auf dem Dach öffnet und schließt sich der Stall automatisch. Im Frühjahr will Die Kooperative ihr zweites Hühnermobil anschaffen, die Mitgliedsanfragen würden nicht weniger werden. „Mittlerweile versorgen wir rund 350 Haushalte und bekommen jeden Monat 20 bis 30 neue Mitglieder dazu, die wir über 25 Depots über Frankfurt verteilt versorgen.“

Am kommenden Samstag, den 14. September bietet die Kooperative im Zuge der Klimagourmetwoche ein „Picknick mit den Großstadthühnern“ an. Dabei sammeln die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf einem Spaziergang über die Oberräder Felder die Zutaten für das Picknick selbst. Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der Imkerei Kleebrig und dem Imkereiverein Bee Friends statt. Noch bis zum 15. September läuft die Klimagourmetwoche, in der die unterschiedlichsten Veranstaltungen zu den Themen Zero Waste, Veganismus, regionale Lebensmittel, Urban Gardening und fairen Handel stattfinden.
 
9. September 2019, 13.07 Uhr
Johanna Wendel
 
 
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