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Die Messewurst

Kulinarisches

Warum lassen sich Menschen eigentlich mit schlechtem Essen zu hohen Preisen abspeisen? Am nahenden Hungertod kann es hierzulande nicht liegen. Ein kurzer Bericht von der Frankfurter Musikmesse.
Haben Sie schon mal die Messewurst probiert? DIE Messewurst gibt es in Frankfurt natürlich nicht, eher Messewürste. Bock-, Brat, Frankfurter. Vielleicht noch ein paar mehr, doch so weit habe ich es nicht geschafft. Der Begriff Messewurst hat sich nämlich bei mir und meinen Kollegen als stehender Begriff für kulinarischen Horror schlechthin eingeprägt. Postet man den Konsum einer solchen in einem bekannten sozialen Netzwerk, so bekommt man nur Kommentare wie "so was isst man doch nicht".

So weit, so schlecht, aber ich berichte ja nicht von irgend einer Braterei, sondern von der Frankfurter Messe. Hier geht die Welt ein und aus. Und kauft diese Würste, um sich vielleicht sogar den ersten kulinarischen Eindruck von der rustikalen Landesküche zu verschaffen. Schließlich ist Deutschland ja eine echte Wurstrepublik, nirgendwo sonst findet sich derartige Vielfalt. Im schlimmsten Falle für den Ruf unserer Stadt bestellt er Frankfurter. Was muss diesem Gast im Kopf herumgehen, während er die Messewurst isst? Mitleid? Zorn? Rückreise?

Das klingt nicht nach gutem Umsatz für Accente, den kulinarischen Arm der Messegesellschaft, denn logischer Weise müsste die erste auch die letzte verkaufte Messewurst pro Person sein, die man sich in solcher Qualität vorsetzen lässt. Das selbstbewusste Preisniveau der labbrigen Fleischriemen lässt jedoch ahnen, dass die Dinger in größeren Gebinden über den Tresen gehen und man sich hier eine große Nachfrage vergolden lässt. Wie kann das sein? Bekommen wir alle etwa die Wurst, die wir verdienen? Man könnte sich ja einfach ein Brötchen mitbringen oder das Ende der Messe abwarten, um außerhalb des Geländes nach Verpflegung oder Gastronomie zu suchen. Nein, hier stehen sie geduldig an, die Aussteller, Besucher und sogar Servicekräfte. um sich beispielsweise eine Bratwurst zu kaufen die schmeckt, als hätte man ihr Sägemehl beigemischt. Haben wir das verdient?

Aber natürlich, denn zur Erinnerung: Unsere Gesellschaft ist kapitalistisch organisiert. Was unter anderem bedeutet, dass die Nachfrage das Angebot bestimmt. Keine Nachfrage, keine oder sehr billige Wurst. Viel Nachfrage, teure Wurst. Das Hinschmecken wurde in den letzten Jahren scheinbar ins Fernsehen verlagert, wo Showköche ihre Ware bruzzeln, während der Zuschauer auf der Couch seine TK-Pizza futtert. Dasselbe auf der Messe. Rein damit, Hauptsache, es macht satt. Teure Wurst.

Muss man eigentlich immer satt sein? Stopp. Niemand sollte hier verhungern. Hinschmecken lohnt sich. Dann wird auch die Messewurst wieder eine Gute sein. Vielleicht sogar irgendwann mal Bio. Das passt gut zu Buchmesse oder Ambiente. Bis dahin nennen wir die Frankfurter Wurst auf dem Messegelände einfach Wiener. Boah, wie gemein!
 
10. April 2011, 16.46 Uhr
Bastian Fiebig
 
 
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