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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

20 Jahre Rote Bar

„Stillstand ist ein Graus“

Am 30. November 1995 eröffnete Edward Bellen die „Rote Bar“, die heute zu den Klassikern der Frankfurter Szene gehört. Bellen ist Autodidakt, hat Probleme mit Namensfindungen und findet Jahrestage überwertet.
Namen sind Eward Bellen nicht wichtig, aber er hat Probleme dabei sie zu finden. Als er die Bar vor zwanzig Jahren gepachtet hat, sei er zwei-, dreimal mit einem Dampfer den Main entlang geschippert, – die damals noch rote gestrichene Hochparterre immer im Blick. So sei er auf den Namen "Rote Bar" gekommen, sagt er.

La Jana, der Hund Fex und Heinrich Hoffmann
Von „Hexenküchen-Experimenten“ oder davon stundenlang Sirups anzurühren, hält Bellen nicht viel. „Die Getränke-Erfinder-Nummer ist relativ“, sagt Bellen. Mit Kräutern und Co. sei schon viel früher experimentiert worden. Auch „La Jana“, eine Eigenkreation des Teams, nennt Bellen ein „Zufallsprodukt“. Wegen der schönen Flasche habe er vor Jahren Holunderlikör gekauft. „Also mussten wir die Flasche auch verwursten. Wie der Metzger, der verwurstet auch alles.“ Die Mixtur aus Gin, St. Germain und Lillet Blanc schmeckt mit Zitrone, Minze und Trauben sehr sommerlich. Die Gäste seien begeistert gewesen, nur der Name fehlte. Einen Namen zu finden, sagt Bellen, sei das Anstrengendste beim Kreieren eines Cocktails. „Bei einem Sonnenuntergang im Sommer hat ein Stammgast den Cocktail getrunken. Da war klar, die Farbe des Getränks gleicht der Farbe der Hose der echten La Jana“, sagt Bellen. Das Bild der österreichischen Tänzerin und Schauspielerin, das in der Roten Bar hängt, hatte er erst kurz vorher gekauft.

Ähnlich sei das auch beim „Fex“ gewesen. Eine Stammgastdame wollte etwas mit Gurke trinken, aber nicht in Verbindung mit Ingwer-Bier. Das Rezept war geboren und den Namen lieferte die Dame gleich dazu. „Der Hund der Dame hieß Fex“, sagt Bellen. Die Reaktionen auf den Drink seien enorm gewesen. „Selbst aus Japan wurde ich kontaktiert“, sagt der Besitzer. „Früher hat sich eine Gurke ein paar Tage gehalten, mittlerweile verballern wir jeden Abend zwei bis drei.“
Bevor ein Getränk auf die Karte kommt, vergeht aber auch in der „Roten Bar“ ein halbes bis dreiviertel Jahr. Demnächst soll auf der Karte „Der Hoffmann“ stehen. Diesen Daiquiri mit frischem Ingwer hat Bellen nach Heinrich Hoffmann benannt. Der Psychiater, Lyriker und Kinderbuchautor soll nur wenige Häuser weiter gelebt und soll auch dort den Struwwelpeter geschrieben haben. Außerdem werde demnächst ein scharfer Cocktails namens „Fire walk with me“ auf der Karte stehen. „Am Anfang ist es eine brutale Schärfe, die ist aber schnell weg. Dann hat er eine schokoladene, fruchtige Note“, sagt Bellen.

Die Anfänge
In den letzten 20 Jahren hat sich die „Rote Bar“ gewandelt. Am Anfang hätten sie nur drei Whiskeys, Ramazotti und fünf Cocktails angeboten. "Die, die wir konnten", sagt Bellen. Sukzessive hätten sie ihr Cocktail-Wissen ausgebaut. „Heute können wir beinahe alles machen“, sagt er. Sich weiterzuentwickeln gehört für Bellen auch dazu: „Stillstand ist für mich ein totaler Graus“, sagt Bellen, „man muss in Bewegung bleiben, sonst setzt man innerlich fett an.“

Bellen fing bereits mit zehn, elf Jahren an Getränke zu mixen. „Ich bin ein 60er-Jahre-Kind. Mein Vater hatte eine Anwaltskanzlei. Bei uns gab es die Mad-Men-Nummer.“ Nachmittags hätten Klienten, Anwälte oder Sekretärinnen bei seinen Eltern Cocktails getrunken. Für Bellen war das ein Mysterium: „Erwachsene kamen und haben ein, zwei von diesen kleinen Getränken zu sich genommen und waren dann ganz anders.“
Eigentlich war es Bellens Plan im Internationalen Kunsthandel zu arbeiten. Hierfür studierte er Volkswirtschaft, wechselte nach dem Grundstudium in Kunstgeschichte, brach das Studium wieder ab und eröffnete eine Galerie auf der Wallstraße. Bei Vernissagen oder Finissagen war es ihm immer wichtig eine gute Bar zu haben, sagt er. „Mir hat es nie gelangt in den Penny zu rennen, und einen Kasten Bier oder irgendwelchen Schrott zu holen.“ Lieber macht er weniger, dann aber gut und richtig. Dann führte eins zum anderen: Der Inhaber der Orient-Bar, die Bellen früher häufiger frequentiert habe, hätte ihn mit den Worten "Dann mach es doch besser" herausgefordert. Dann habe einer seiner Kollegen mitbekommen, dass der Jazz-Club „Down by the riverside“ leer steht.

Bellens Credo
„Die Ecke am Mainkai war früher furchtbar. Komplett verwildert und es hingen viele Heroin- und Cracktypen rum. Hier wollte niemand wohnen“, sagt Bellen. Er sei aber sofort begeistert gewesen: „Super zentral und kostet wahrscheinlich nichts.“
Bevor er am 30. November 1995 offiziell eröffnete, veranstaltete Bellen in der Bar inoffizielle Partys. „Am ersten Abend waren vielleicht 10 bis 15 Personen da. Jedes Mal wurden es mehr, irgendwann ging nichts mehr.“ Über zu wenige Besucher kann sich Bellen auch seither nicht beschweren. „Früher war die Tür immer offen, vor sechs oder sieben Jahren mussten wir sie zumachen“, sagt Bellen – der Ansturm sei zu groß gewesen. Als er und sein Team das Klopfen nicht mehr gehört haben, haben sie die Klingel angebracht. Den Begriff „Speakeasy-Bar“ findet Bellen dennoch schwierig. Auch vor zwanzig Jahren hätten die meisten Bars eine Klingel und kein Schild gehabt. „Die neuen Bars nutzen den Begriff für sich“, sagt Bellen – aber in Zeitalter von Smartphone sei auch die „Rote Bar“ kein Geheimnis mehr.
Die Bar ist beliebt. Deshalb die Preise anzuheben, ist für Bellen aber keine Option. „Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn Menschen auf kapitalistische Art aus Orten rausgedrängt werden. Wenn hier nur Bank- und Agentur-Menschen sitzen würden, das würde ich nicht durchhalten“, sagt er. Deswegen sind die Preise in der „Roten Bar“ bewusst weiter unten angesiedelt. Wirtschaftlichkeit ist für Bellen zwar ein Punkt, aber nicht bei allem. „Wenn wir voll sind, dann wollen mir Leute 50 Euro in die Hand drücken. Spinnen die?“, sagt der Betreiber. Außerdem hält er sich an seine Credos und macht für Geld lange nicht alles. Was er nie servieren wird, ist Malt Whiskey mit Eis: „Das ist wie ein kaltes, blutiges Steak zu essen. Schwachsinn!“

Einen Tag nach dem Jubiläum der Bar hat Bellen selbst Geburtstag und wird dann 51 Jahre alt. Von seinem Plan mit 50 in Rente zu gehen, hat er sich verabschiedet. „In einer Bar zu arbeiten, hält gesund“, sagt Bellen. Sein persönliches Vorbild sei Herr Osaki aus Tokio. „Er ist 84 Jahre alt und noch fit wie ein Turnschuh.“ Vielleicht führe auch eines seiner Kinder die Bar weiter. „Oder am besten alle vier“, sagt er.
Ob er das Jubiläum feiern wird, das bezweifelt er: „Meinen letzten Geburtstag habe ich gefeiert, da war ich 13 Jahre alt und das fand ich auch blöd.“ Zu Bar-Jubiläen hätten sie bisher immer die passende Champagner-Flasche gekauft. Die größte Flasche fasst 15 Liter. Von daher sei das nicht mehr möglich. Bellen hofft auf einen guten, normalen Abend: „Und wenn wir 25 sind, laden wir Dita van Teese ein.“

Altstadt, Mainkai 7, Tel. 293533, So–Do 21–1 Uhr, Fr/Sa 21–2 Uhr
 
30. November 2015, 12.40 Uhr
vak
 
 
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