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Foto: DEHOGA Hessen
Foto: DEHOGA Hessen

Gastwirte warnen vor hunderten Insolvenzen

Bis zu 1500 Lokale und Hotels vor dem aus

Kein Business as usual: Auf der Sommerpressekonferenz der hessischen Hotel- und Gastwirtschaft gab es dramatische Hilferufe, auch aus der Clubszene. Betrieben fehle die Perspektive für den Herbst.
Meckern und Jammern gehört zum Geschäft von Branchenverbänden. Wer etwas will, muss deutlich machen, dass er etwas braucht, so sind die Spielregeln. Von daher ist es erst recht besorgniserregend, wenn die DEHOGA Hessen ihre Sommerpressekonferenz mit großem Dank an die Landesregierung beginnt. Doch DEHOGA-Präsident Gerald Kink hatte tatsächlich reichlich Lob und Anerkennung für das ursprüngliche Krisenmanagement in Hessen. Soforthilfen seien schnell angekommen, hätten vielen Betrieben geholfen und „die Kurzarbeit hilft nicht nur uns als Branche, sondern dem ganzen Land“, lobte Kink. Von den 200 000 Beschäftigen in der Branche befanden sich im Mai 72 Prozent in Kurzarbeit. Doch es blieb natürlich nicht beim Lob.

„Die schlimmsten Herausforderungen stehen uns noch bevor“, warnte Kink. Dank des guten Wetters laufe das Geschäft in Biergärten und auf Terrassen derzeit sehr gut. „Aber lassen Sie sich von den vollen Außenbereichen nicht täuschen“, warnte DEHOGA-Geschäftsführer Julius Wagner. Neben dem offensichtlichen Problem, dass ein Biergarten nicht funktioniert, wenn es regnet, leidet die Branche besonders unter dem Wegfall des Veranstaltungsgeschäfts. Hochzeiten, Messen, Kongresse, Kulturveranstaltungen, nichts findet aktuell statt. „Eine Verteilung der Lasten auf alle und insbesondere die breiten Schultern in Wirtschaft und Gesellschaft ist notwendig“, fordert Gerald Kink, insbesondere von Banken und Immobilienwirtschaft. „Andernfalls brechen lange gewachsene Strukturen zusammen. Die Seitenstraße, in der es früher 12 Lokale gab, hat dann in Zukunft vielleicht nur noch eine Filiale irgendeiner internationalen Marke.“ Es sei leichter, große Konzerne zu retten als eine kleinteilige Branche wie Hotels und Gastronomie, in der tausende Betriebe aller Größen und Unternehmensformen nebeneinander existieren.

Mehr als die Hälfte aller hessischen Gastronomien habe in diesem Juni weniger als 50 Prozent des Umsatzes vom Vorjahr erreicht. Ein Viertel der Betriebe habe sogar über 70 Prozent Umsatz eingebüßt. „Von einem Tourismus-Boom auf unser Bundesland Hessen bekommen wir bisher nicht viel mit“ sagt Julius Wagner. Die DEHOGA Hessen rechnet damit, dass alleine in diesem Jahr bis zu 1500 Betriebe aufgegeben werden. Das Wirtschaftsforschungsinstitut ifo geht in seinen Prognosen deutlich weiter: Nicht in diesem Jahr, aber als Folge der Ereignisse in diesem Jahr, sehen die Wirtschaftsforscher akute Insolvenzgefahr bei 76 Prozent aller Hotels und 67 Prozent aller Gaststätten.

Umso verständlicher, dass viele Gastwirte raus aus der Passivität wollen. „Für Diskotheken, Clubs und Bars herrscht faktisch ein Berufsverbot“, klagte Robert Mangold. Der Chef der Tiger-Palmen-Gruppe leitet bei der DEHOGA den Fachbereich Gastronomie. Von der Landesregierung fordert er eine klare Perspektive für den Herbst. Das Problem der inoffiziellen Off-Partys zeige das Problem der aktuellen Regelungen. „Wir haben strenge Aufzeichnungs- und Abstandspflichten, an die wir uns in der Gastronomie auch halten“, erklärt Mangold. Trotzdem sei es den Gastgebern faktisch verboten, größere Veranstaltungen zu organisieren. Gleichzeitig sammelten sich tausende junger Menschen an öffentlichen Plätzen, komplett ohne Abstand oder Registrierung. „Wir sind die Fachleute für das Umsetzen von Reglements“, sagt Mangold, „wir schaffen Corona!“ Dafür fordert er jedoch, dass Clubs im Herbst wieder öffnen dürfen. In der Schweiz und Österreich seien jetzt schon Veranstaltungen mit bis zu 1000 Menschen erlaubt, in Hessen liege die Grenze bei grade mal 250 Menschen.

Besonders eindrücklich sind die Schilderungen von Gibson-Chef Madjid Djamegari: „Seit dem 13. März ist das Gibson zu. Wir verlieren im Moment ein bis drei Mitarbeiter pro Woche, weil diese keine Perspektive in der Branche mehr sehen. Uns steht ein kompletter Neustart bevor.“ Deshalb reiche es auch nicht, wenn die Landesregierung im Herbst erst erkläre, dass ab Herbst Veranstaltungen wieder erlaubt seien. „Wir brauchen acht Wochen Vorlauf“, fordert Djamegari. „Wir müssen jetzt im August erfahren, welche Perspektive wir im Herbst haben.“ Er wünscht sich mehr Mut von der Politik. Als positives Beispiel nannte er das Testkonzert mit Tim Bendzko, welches als große Studie von der Uniklinik Halle begleitet wird. Versuche des Fredenhagen in Offenbach, eine Party mit vorherigen Corona-Schnelltests durchzuführen, oder des Robert Johnson, Open-Air-Disco mit Mindestabständen abzuhalten, scheiterten dagegen an der Kommunalverwaltung. Konkret fordern die Veranstalter in der DEHOGA drei Dinge: Wiedereröffnung von Clubs und Diskotheken, eine Senkung des Mindestabstands auf einen Meter und die Erlaubnis, Veranstaltungen mit bis zu 1000 Gästen durchzuführen.
 
24. Juli 2020, 10.50 Uhr
Jan Stich
 
 
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