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Foto: Jan Stich
Foto: Jan Stich

Ewiger Streit um die Büdchen

Oberbürgermeister nimmt Wasserhäuschen in Schutz

Im Streit um die heftige Pachterhöhung von elf Wasserhäuschen kündigte Oberbürgermeister Peter Feldmann eine Lösung an. Doch einzelne Büdchen bangen weiterhin.
Streit liegt in der Luft. Journalisten und Kamerateams haben sich Freitagnachmittag vor dem Wasserhäuschen an der Holbeinstraße versammelt. Der Oberbürgermeister persönlich hat sich angekündigt. Insgesamt elf Frankfurter Büdchen-Betreiber bangen um ihre Existenz, seit die Radeberger Brauerei ihnen die Pacht um bis zu 73 Prozent erhöhte. Mit den kleinen Gewinnmargen aus Flaschenbier und gemischten Tüten ist das kaum zu erwirtschaften. Doch die Brauerei hat den schwarzen Peter weitergeschoben – zum Römer. Hintergrund sei eine Pachterhöhung der Stadt Frankfurt, denn die Wasserhäuschen stehen auf städtischen Flächen. „Das Stadtplanungsamt will diese Büdchen nicht“, ist Hubert Gloss vom Verein Linie 11 überzeugt. „Die wollen eine cleane Stadt.“ An diesem Freitag treffen die Pächter, unterstützt vom Verein Linie 11 nun erstmals offiziell auf die Stadt, in Person von Oberbürgermeister Peter Feldmann.

Dieser traut sich ganz ohne Begleitung an den Tatort und verkündet die frohe Botschaft: „Es wird nicht so bleiben, wie es ist. Wir können bei den Pachten was machen.“ Als Frankfurter Junge sei er doch selbst als Kind immer für Kaugummis und Lakritzschnecken zu den Wasserhäuschen gegangen, schwärmt er mit nostalgischem Glanz in den Augen. Also ist der Chef der Stadtverwaltung im Streit Wasserhäuschen gegen Stadt auf Seite der Buden? „Ich bin hier ganz klar parteiisch“, erklärt er zweideutig und nimmt seinen verantwortlichen Dezernenten Jan Schneider (CDU) in Schutz. „Es hat sicher auch gute Gründe für die ursprüngliche Pachterhöhung gegeben“, räumt er ein, doch in einem längeren Gespräch habe er den Kollegen vom besonderen Wert der Wasserhäuschen für die Stadt überzeugen können. „Die Stadt hat ein Interesse, dass es diese Büdchen noch lange gibt.“ Der Streit ist abgesagt und wird jetzt wohl höchstens noch innerhalb der Römer-Koalition ausgetragen.

Nur einem Büdchen-Betreiber hat der Auftritt des Oberbürgermeisters wenig geholfen. Naim Yildirims Büdchen in Niederursel gehört nicht zur Radeberger-Gruppe und ist auch nicht von der Pachterhöhung betroffen. Trotzdem ist er heute gekommen, denn bei ihm steht die komplette Betriebslizenz plötzlich auf dem Spiel. Die Genehmigung für Naim Yildirims Wirtschaftsgarten war auf fünf Jahre befristet und lief 2017 aus. Yildirim investierte mehrere 10.000 Euro in den Ausbau des seit 1965 existierenden Wasserhäuschens. Die Bauaufsicht verweigert die Verlängerung wegen Beschwerden über die Lautstärke. „Die Wasserhäuschen sind eine der letzten Bastionen gegen die Vereinsamung. Bei uns sitzen ehemalige Bankdirektoren mit Lagerarbeitern an einem Tisch“, sagt Yildirim. Ob er seine Bastion gegen Vereinsamung weiterbetreiben kann, steht weiterhin in den Sternen. „Aber dass Feldmann hier ist, zeigt, dass er ein kluger Politiker ist“, sagt Yildirim. „Die Menschen sind wirklich empört. Zu mir kommen jeden Tag mindestens fünf neue Menschen, die mir völlig unbekannt sind, um für den Erhalt meiner Bude zu unterschreiben.“

„Es wird Zeit, dass wir eine Interessengemeinschaft gründen. Wir müssen unsere Probleme selbst in die Hand nehmen“, sagt Yildirim. Peter Feldmann lobt derweil gegenüber der Presse den Kampfgeist der Büdchen-Besitzer. „Das passt in die Stadt. Wir haben die Demokratie erfunden.“ Doch auch der Streit reiche weit zurück, berichtet Hubert Gloss. Der Wasserhäuschen-Enthusiast macht Stadtführungen mit den Frankfurter Stadtevents von Büdchen zu Büdchen. „Die Leute sind begeistert. In München kennen die so was gar nicht. Es ist eine Schande, dass die Stadt noch nicht erkannt hat, welchen Schatz wir hier haben.“ Seit der Nazizeit hätten die Kioske Schwierigkeiten, weil sich hier der Pöbel und das einfache Volk treffe. Gloss hat Zeitungsartikel aus lange vergangenen Jahrzehnten, in denen schon um die Wasserhäuschen gestritten wurde. Die Auseinandersetzung um die Buden ist also weder ganz neu noch wird sie bald enden. Aktuell ist vor allem nicht ganz klar, wer hier jetzt eigentlich mit wem streitet.



 
24. August 2018, 16.49 Uhr
Jan Paul Stich
 
 
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