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Foto: F.A.Z.-Foto / Wolfgang Eilmes
Foto: F.A.Z.-Foto / Wolfgang Eilmes

Bürgergespräch in der Oper

„Machen unsere Lebensmittel krank?“

Vier unterschiedliche Experten diskutierten im Bürgergespräch in der Oper Frankfurt über gute Lebensmittel und konnten sich tatsächlich auf einen Punkt einigen.
Viermal im Jahr lädt die Frankfurter Allgemeine Zeitung zum Gespräch zwischen Bürgern und Experten. Vergangenen Mittwoch ging es um die Frage ‚Machen unsere Lebensmittel krank?‘ Die circa 200 Stühle sind restlos besetzt, vier davon in der ersten Reihe gehören Johann Lafer, österreichischer Starkoch, Jürgen Stellpflug, Chefredakteur von ‚Öko-Test‘, Georg Heberer, Geschäftsführer des Bäckerei-Giganten ‚Wiener Feinbäckerei‘, und Susanne Langguth, Direktorin der Südzucker AG. Die Direktorin des weltweit größten Zucker-Herstellers und Herr Heberer, bekannter Bäckerei-Betreiber, erschienen krankheitsbedingt nicht zur Debatte über gesunde Lebensmittel.

An ihrer Stelle müssen also Bernd Kurzai, Justiziar der Südzucker AG und Bernd Kütscher, Direktor der Wiener Feinbäckerei Heberer ran. Letzterer wird als erster von Moderator Manfred Köhler auf das hell erleuchtete Podest gebeten und gefragt, warum so viel Chemie ins Brot müsse und ob man nicht einfach wieder nach guter, alter Backtradition backen könne.

Der Bäckermeister antwortet: „Genau genommen ist alles Chemie. Ascorbinsäure ist nur Vitamin C. Eine Backmischung enthält die gleichen Zutaten, nur vorgemischt. Beim Bäcker wird sie anständig gebacken, nicht nur gekocht wie in Backautomaten.“

„Die Spitze gegen Aldi haben wir verstanden“, kommentiert der Moderator und gibt weiter an seine Kollegin Jaqueline Vogt. Sie bittet Herrn Lafer auf die Bühne und fragt, was für ihn ein gutes Brot sei. Der Gourmetkoch guckt Herrn Kütscher an und seufzt, das Publikum kichert. Er erzählt: „Damals hat meine Mutter einmal in der Woche einen Teig aus Mehl, Wasser und Salz in einen Gärkorb gelegt und dann im Steinofen gebacken. Ich weiß noch was gutes Brot ist. Die meisten Kinder wissen es nicht, ihnen fehlt die Vergleichsmöglichkeit. Um überhaupt beurteilen zu können, was gutes Brot ist, sind heutzutage Erziehungsmaßnahmen zur Qualitätserkennung dringend nötig!“ Das überwiegend bejahrte Publikum nickt andächtig.

Nun ist Herr Kurzai an der Reihe: „Mit fast 6 Millionen Tonnen Zucker pro Jahr sind wir Marktführer. Der Zuckerabsatz liegt bei 34 Kilogramm Zucker pro Kopf pro Jahr.“ Auf die Frage, ob das nicht ein bisschen viel sei in Anbetracht der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation von 25 Gramm pro Tag, antwortete er: „Die Werte der WHO wurden bereits in mehreren Studien angezweifelt und Zucker in Maßen ist gesund. Wir stellen ihn ja nur her, wie viel jeder davon isst, muss er an seinen Tagesbedarf anpassen.“ Auf den Kommentar des Moderators, dass Studien gerne mal von größeren Zucker-Unternehmen gefördert werden, erwiderte der Marktführer: „Dafür haben wir gar kein Budget.“

Nun fragt Frau Vogt Herrn Stellenpflug von ‚Öko-Test‘ welche Produktgruppe denn besonders problematisch sei: „Nun, wir fanden bereits resistente Keime gegen Reserveantibiotika in Fleisch, also Antibiotika, dass nur verwendet wird, wenn nichts mehr hilft. Dieses Fleisch inklusive Resistenzen gegen das Notfall-Antibiotika essen wir jeden Tag.“ Allerdings bietet er eine Lösung aus dem Dilemma: „Es gibt auch gute Produkte. Man erkennt sie an fünf einfachen Regeln. Ökologisch, regional, saisonal, möglichst wenig verarbeitet und fair für den Erzeuger.“

Konkret auf die Leitfrage angesprochen betont Lafer, wie wichtig es sei, das Bewusstsein der Verbraucher für gute Lebensmittel zu schärfen. Bernd Kütscher betont, dass die Menschen im Zweiten Weltkrieg froh waren wenn sie satt wurden. Die Verbraucher sollen sich nicht so anstellen: „Immerhin unterliegt die Industrie einem harten Preiskampf und letztendlich entscheidet der Verbraucher, was er kauft. Daher muss dessen Bewusstsein geschärft werden, nicht das der Konzerne.“

Herr Kurzai hält nichts von einer Lebensmittel-Ampel: „Die Europäische Union hat bereits ein sehr gutes Lebensmittelinformationsgesetz, es besteht kein Grund zur Sorge. Lebensmittelskandale verkaufen sich in den Medien nur besser. Eine Ampel ist viel ungenauer als die momentane Nährwerttabelle. Diese Informationen sollten dem Verbraucher nicht vorenthalten werden, immerhin geht es um dessen Aufklärung.“ Herr Stellenpflug kontert: „Betroffene Unternehmen verweisen gerne auf falsche Darstellung durch die Medien. Wenn wir im Heft einen Skandal aufdecken, berichten Zeitungen davon und unsere Hefte verkaufen sich deutlich schlechter. Ich finde eine Ampel eine wunderbare Idee, da sie die Informationsbeschaffung des Verbrauchers erleichtert. Wer kennt schon über 300 Zusatzstoff-Deklarierungen der Inhaltsliste auswendig? Außerdem wünsche ich mir bessere Kontrollen der bereits vorhandenen Richtlinien.“

Am Ende sind sich alle einig: Die Aufklärung der Verbraucher ist am wichtigsten. Ein Teilnehmer fragt, warum die Medien nicht mehr zur Aufklärung beitragen könnten. Herr Stellenpflug antwortet: „Naja wir können es ja nur anbieten, das Zwangs-Abo für die Ökotest gibt es leider noch nicht.“ „Und für die FAZ leider auch nicht“, ergänzt Frau Vogt. Was auch für das Journal Frankfurt gilt ...
 
1. Oktober 2016, 12.21 Uhr
Vivian Hartmann
 
 
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